Japanische Yokai – Amabie

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Amabie ist ein Yokai, welcher vor allem in den vergangenen Jahren im Zuge der Covid-19 Pandemie eine große Bekanntheit erlangte. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Yokai der Japanischen Mythologie, kann das Wesen Amabie selbst nicht auf eine Geschichte zurückblicken, welche weit bis in die Vergangenheit der Japanischen Kultur reicht. Zumindest gehen die wenigen Erzählungen dieses Yokais nicht allzu weit zurück, was dieses Wesen jedoch nicht weniger faszinierend macht.

Amabie als ein Symbol die Covid 19 Pandemie in Japan zu stoppen
Amabie wurde zum Symbol des Kampfes gegen die Covid-19 Pandemie in Japan. Foto: Japan’s Ministry of Health, Labour and Welfare.

Amabie – das schuppige Wesen

Amabie ist ein Yokai, welcher nicht selten Ähnlichkeiten zu einer Meerjungsfrau aufweisen kann. Von diesem Yokai wird erzählt, dass er aus dem Meer auftaucht und eine reiche Ernte oder aber auch eine Epidemie prophezeit.

Das Wesen wird dabei immer wieder auf unterschiedliche Weise beschrieben. Einigen Berichten zufolge hat dieser Yokai vom Hals abwärts Schuppen wie ein Fisch, lange Haare, drei flossenartige Beine und einen Schnabel. Nach anderen Beschreibungen hat die Amabie einen vogelähnlichen Kopf mit einem schuppigen Körper.

Amabie gehört zu einer Kategorie von Yokai, die Umibozu oder Meeresmönche genannt werden. Das sind im Wasser lebende Geister, die kahlen Mönchen mit runden Köpfen und langen Gewändern ähneln sollen. Umibozu werden vor allem deshalb gefürchtet, weil sie Schiffe zum Kentern bringen oder Seeleute ertränken können. Einige Umibozu sind jedoch auch freundlicher und hilfsbereiter wie eben Amabie


Ein junger Yokai mit einer großen Bedeutung

Die erste und einzige historische Erwähnung der Amabie geht auf das Jahr 1846 zurück, als ein Regierungsbeamter in der Provinz Higo (der heutigen Präfektur Kumamoto) ein mysteriöses grünes Licht im Wasser wahrgenommen haben soll. Als er sich der Quelle des Lichts näherte, sah er Amabie, die sich ihm vorstellte und zwei Dinge vorhersagte: eine reiche Ernte für die nächsten sechs Jahre und eine Pandemie, welche das ganze Land heimsuchen würde. Der Yokai bot jedoch auch eine Lösung an: sein Bild zu zeichnen und es anderen zu zeigen, um die Krankheit in Schach zu halten. Der Beamte fertigte eine Skizze von Amabie an und veröffentlichte sie zusammen mit ihrer Botschaft in einer lokalen Zeitung.

Der Holzschnitt von Amabie verbreitete sich schon bald in ganz Japan, da die Menschen hofften, die Pest durch die Verbreitung ihres Bildes verhindern zu können. Amabie wurde zu einem der vielen Yokai-Amulette, welche zur Abwehr von Krankheiten wie Cholera, Pocken und Grippe verwendet wurden. Auch heute noch werden diese Amulette in Schreinen in ganz Japan verkauft, die diesen Zweck der Abwehr von Krankheiten erfüllen sollen.

Amabie und die Covid-19 Pandemie

Amabie geriet über Generationen hinweg weitgehend in Vergessenheit, bis sie im Jahr 2020 inmitten der COVID-19-Pandemie plötzlich wieder auftauchte. Die Universitätsbibliothek Kyoto postete am 6. März ein Bild der Originalillustration von Amabie auf ihrem Twitter-Account, welches sich umgehend in den sozialen Medien verbreitete. Seitdem haben viele Nutzer ihre eigenen Versionen von dieser Kreatur gezeichnet und online geteilt, in der Hoffnung auf ein schnelles Ende der Pandemie. Einige Forscher beurteilen diesen Trend als ähnlich wie die Psychologie der Menschen in der Edo-Zeit, welche sich ebenfalls auf Folklore und Aberglauben stützten, um mit Unsicherheit und Angst zurechtzukommen.

Amabie ist zudem zu einem Symbol für die COVID-19-Prävention geworden, die vom japanischen Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Soziales am 13. April 2020 eingeführt worden sind. Zusätzlich zu den Tausenden Zeichnungen und personalisierten Darstellungen von Amabie auf Twitter und Instagram haben Menschen in Japan begonnen, Gesichtsmasken und Handdesinfektionsmittel mit Amabies Bild zu verkaufen. Einige Künstler haben auch Skulpturen, Animationen und sogar Lieder geschrieben, welche von Amabie inspiriert wurden.

Yokai als alte Kultur im modernen Japan

Dieses Wesen ist nicht nur ein faszinierendes Beispiel für japanische Folklore, sondern zugleich ein Symbol für Hoffnung und Widerstandsfähigkeit in Krisenzeiten. Durch die Beschwörung dieses alten Yokais bringen die Menschen ihre Solidarität und Kreativität im Kampf gegen die Infektionskrankheit zum Ausdruck.

Dieser Yokai wurde zum modernen Meme, welches Menschen auf der ganzen Welt durch Kunst und Humor miteinander verbinden soll. Es spiegelt auch die anhaltende Anziehungskraft der Yokai-Kultur in Japan wider, die Folklore, Fantasie und Kreativität miteinander verbindet.

Nur wenige Geschichten?

Es gibt nicht viele Geschichten über diese Kreatur,, da es im Gegensatz zu anderen Yokai, welche altertümliche Ursprünge haben, ein relativ junger Yokai ist. Einige Geschichten besagen jedoch, dass Amabie Wünsche erfüllen oder Krankheiten heilen kann, wenn die Menschen ihm Essen oder Gebete darbringen. Eine Geschichte erzählt von einem Fischer, der Amabie in seinem Netz gefangen hatte und es freiließ, nachdem er seine Prophezeiung gehört hatte. Später wurde er reich und gesund, weil er ein Bild von Amabie in seinem Haus aufbewahrte.

Eine andere Geschichte erzählt von einem Mädchen, welches an Fieber litt und einen Traum von Amabie zu haben schien. Sie bat ihren Vater, das Wesen für sie zu zeichnen und zeigte es anschließend ihren Freunden. Ihr Fieber ging bald zurück und sie erholte sich. Auch ihre Freunde, die das Bild gesehen hatten, sollten daraufhin ein glückliches und gesundes Leben geführt haben.

Nicht alle Yokai blicken auf eine alte Geschichte zurück

Auch wenn dieser Yokai laut den Erzählungen, welche man finden kann, nicht auf eine so alte Tradition wie andere Yokai zurückblicken kann, kann man den Einfluss dieses Wesens, vor allem im Zuge der Covid-19 Pandemie in Japan nicht kleinreden. Für viele Menschen war dieser Yokai ein Teil der modernen Kultur geworden und zugleich ein Symbol für das japanische Durchhaltevermögen. Zusammenstehen, einander aufbauen und am Ende mit neuen Erfahrungen und Stärken aus der Situation herausgehen. Dieses Wesen steht symbolisch für die wunderbare Kultur der Yokai und wie diese auch im heutigen oftmals schillernden Japan noch immer großen Einfluss haben.

Außerdem muss es natürlich nicht bedeuten, dass, nur wenn man weniger Erwähnung findet, man nicht schon viel länger auf dieser Welt lebt und seine Fäden zieht. Manche Wesen benötigen halt weniger Aufmerksamkeit als andere, oder?

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