Gedanken in Japan – Außenseiter?

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Ist man immer nur der Außenseiter, wenn man von Europa nach Japan auswandert? Im heutigen Beitrag der Reihe Gedanken in Japan, möchte ich genau darüber schreiben, oder eher darüber, wie wir es nach einigen Jahren empfinden. Ich muss gestehen, dass ich selbst eigentlich nie über dieses Thema nachgedacht habe und auch Susann geht es nicht anders. Diese Woche wurden wir allerdings auf Facebook von einer unserer Leserinnen gefragt, wie es denn ist als Ausländer in Japan zu Leben und ob man sich ausgegrenzt fühlt.

In Anbetracht dieser Frage habe ich mir einmal ein paar Gedanken zu dem Thema gemacht und mich auch versucht zu erinnern, welche Erfahrungen persönliche Kontakte hier in Japan mit mitgeteilt haben.

Matsuri Außenseiter
Auch wenn anders kann man ein Teil vom Ganzen sein

Wie ein bunter Hund aber kein Außenseiter

Unser Chef lebt schon sehr viele Jahre in Japan. Er hat mit seiner japanischen Frau mehrere Kinder, welche hier zur Schule gegangen sind und nun teilweise im Ausland studieren und ansonsten fest im Leben stehen. Er sagte einmal zum Thema Leben in Japan, dass es egal ist wie lange man in Japan lebt, auch wenn man sich noch so gut integriert und von der Gesellschaft aufgenommen wird, am Ende wird man immer der Ausländer sein.

Als nicht Asiate schon grundlegend anders aussieht und somit immer auffallen und von zahlreichen Menschen neugierig beäugt werden. Auch wenn man indessen natürlich bedenken muss, dass es zahlreiche andere Nationen gibt, welche in Japan weniger auffallen, haben auch diese Menschen immer mal wieder mit verschiedenen Problemen der Ausgrenzung zu kämpfen. Hier bekommen Menschen dann schon öfter das Gefühl, sich als Außenseiter fühlen. Diesen Punkt habe ich im Artikel Gedanken in Japan – Sicherheit auch einmal aufgegriffen.

Für Susann und mich ist es natürlich auch so, dass wir als jene, die aus Deutschland nach Japan eingewandert sind, immer auffallen und uns auch regelmäßig anhören können, wie toll unser Japanisch doch ist. Ob das nun wirklich so toll ist, möchte ich mal bezweifeln aber stören tun wir uns daran natürlich nicht.

Wir schauen zwar schon unser Umfeld an, mögen es Menschen zu beobachten, aber wir haben nun selbst nicht unbedingt das Gefühl, dass man uns regelmäßig angaffen würde. Wir leben in einer recht japanischen Wohngegend und auch wenn in den Vergangenen Jahren immer neue Hostels, und Airbnb Angebote für Reisende entstanden sind, gibt es bei uns doch relativ wenig Touristen.

Wenn man durch den Park spaziert, wird man immer mal wieder von älteren Herren angeschaut, die einem nachblicken, oder sie grüßen einen direkt auf Englisch, was auch manchmal zu netten Gesprächen kommt. Aber hier müssen wir mal ehrlich sein, ist es in Deutschland denn anders? Auch da schauen einem die Menschen gerne nach, oder auch gegrüßt kann man im Park schon einmal werden. Wir haben diesbezüglich nicht das Gefühl, dass abgesehen vom überrascht sein, wenn wir sagen, dass wir in Japan leben oder dem klassischen Nihongo ga jouzu, nicht regelmäßig neugierig, oder kritisch beobachtet werden.

Die Kinder und die Schule

Wir selbst haben keine Kinder können diesbezüglich auch nicht wirklich etwas von eigenen Erfahrungen erzählen. Aber wir kennen verschiedene Paare hier in Japan, von denen ein Elternteil Japanisch und das andere nicht asiatisch ist. Bei einem Paar sind die Kinder nun sogar erst nach Japan gezogen und haben den Beginn der Schulzeit noch im Ausland gelebt.

Erfahrungen können sich natürlich stark unterscheiden, wenn es darum geht, wer sich als Außenseiter fühlt und wer nicht. Jedoch haben alle Eltern, mit denen wir gesprochen haben, keine negativen Geschichten zu erzählen, gehabt, was die Erlebnisse ihrer Kinder in den Schulen angeht. Auch beim Thema Freunde finden, gab es laut ihren Erzählungen nicht mehr Probleme als anderswo und Geschichten darüber, dass Kinder von Japanischen Schülern als Außenseiter abgestempelt wurden, kamen uns hier nicht unter.

Das Thema Schulsystem in Japan kann logischerweise von vielerlei Perspektiven betrachtet werden und nicht alle Aspekte muss man hier als Eltern gut finden. Dies würde aber auch jedoch zu weit gehen, denn wie bereits geschrieben, haben wir nicht die Möglichkeit aus eigener Erfahrung über dieses Thema zu sprechen.

Es gibt zu dem Thema an sich natürlich zahlreiche Berichte, welcher man auch Online finden kann. Hier gibt es auch immer wieder traurige Erzählungen von Eltern, welche das Gefühl haben, dass Ihre Kinder nicht wirklich von den anderen Schülern aufgenommen werden und sogar Opfer von Mobbing werden. Auch die Kooperation mit den Lehrern scheint sich dabei nicht immer einfach zu gestalten und ich hoffe natürlich, dass alle Betroffenen hier einen zufriedenstellenden Weg finden. Damit diese sich eben nicht mehr als Außenseiter fühlen müssen.

Es gab in der jüngeren Vergangenheit zahlreiche Berichte verschiedener ausländischer aber auch Japanischer Zeitungen, welche auf das Problem von Mobbing in den Schulen aufmerksam gemacht haben. Aus diesem Grund sollte man diese Problematik auf keinen Fall kleinreden.

Es ist Zeit zum Mitmachen

Japan ist bekannt für seine zahlreichen Traditionen und Feste. Aber auch Workshops zu den verschiedensten Themen werden immer wieder angeboten. Viele von diesen zielen natürlich auch auf die Touristen aus dem Ausland ab, doch gibt es auch viele lokale Aktivitäten, welche in der Regel rein von der Japanischen Bevölkerung besucht, oder in Anspruch genommen werden.

Hier kommt natürlich noch der Aspekt hinzu, dass viele lokale Aktivitäten keinerlei Unterstützung auf Englisch oder anderen Sprachen anbieten. Somit kann es schon schwer werden sich einzugliedern, wenn man kaum, bis gar kein Japanisch beherrscht.

Unserer persönlichen Erfahrung nach muss man aber auch hier keine Angst haben. Sicherlich wird es immer Menschen geben, welche Fremde nicht in ihren eigenen Kreisen haben möchten. Wir haben jedoch nie das Gefühl gehabt, sich als Außenseiter zu fühlen. Oftmals war es sogar so, dass dann ein Japaner, oder eine Japanerin kam, welche Englisch gesprochen hat und uns die Teilnahme an den Events erleichtert hat.

Das Ushijima Jinja Matsuri ist für alle da

Bei uns findet ja jedes Jahr das Ushijima Schrein Festival statt und im Jahr 2022 haben wir zum ersten Mal daran teilgenommen, wenn auch unerwartet. Wir hatten eigentlich gedacht, dass das Festival bereits vorbei ist und uns aus einiger Distanz den Mikoshi genannten tragbaren Schrein angeschaut. Kurz darauf, kam dann ein Japaner auf uns zu und lud uns dazu ein, beim Tragen des Schreins mitzumachen. Ich war auch sofort dabei, während Susann dann die Zeit doch eher nutzte, um das ganze Spektakel auf Video festzuhalten.

Viele weitere Details zum Fest und wie es für mich war zum ersten Mal einen Mikoshi zu tragen, finden sich im Artikel – Matsuri am Ushijima-Jinja Schrein: die Ehre, den Mikoshi zu tragen.

In diesem Jahr fand dann auch das große Ushijima Schrein Festival statt, welches nur alle vier Jahre gefeiert wird. Während ich mich recht einfach in die Menge geworfen habe, konnte ich sehen, wie der Mann, welcher uns das Jahr zuvor eingeladen hat, verschiedene nicht Japaner in die Gepflogenheiten des Festes einweihte. Diese daraufhin dann bei der Teilnahme auch jederzeit unterstützte damit sich niemand wie ein Außenseiter fühlen muss.

Den ganzen Tag über konnte man ihn und andere Japaner sehen, wie sie Besucher aus dem Ausland, oder neu hinzugezogene, mit in die Festlichkeiten einbezogen. Natürlich muss man nun sagen, dass dies sich von Region zu Region unterscheidet. Auch die verschiedenen Teile von Tokyo, werden hier zahlreiche Erfahrungen für die Menschen bereithalten, welche sich oftmals radikal voneinander unterscheiden. Was wir allerdings ganz klar sagen müssen ist, dass wir aus der eigenen Erfahrung heraus, ganz eindeutig nichts pauschalisieren wollen, wenn es darum geht, Japaner wollen keine Ausländer bei sich in den Communitys haben.

Reisen und allgemeines Verhalten

Auch bei verschiedenen Touren durch Japan, egal ob sie jetzt beruflich waren oder privater Natur, kam nie das Gefühl auf, dass wir nicht willkommen sein würden. Ein weiterer Grund hierfür ist wahrscheinlich, dass Susann und ich recht demütige Menschen sind. Was ich damit sagen will ist, dass wir dankbar dafür sind, dass wir in Japan leben dürfen und uns auch eher zurückhalten und zumeist unaufdringlich aber zugleich freundlich verhalten. In der Regel sind es nicht wir, welche auf die Menschen in Japan zugehen, sondern diese sprechen uns an.

Auch innerhalb der Geschäfte hier in der Nachbarschaft kommt es immer wieder zu lustigen Situationen, da wir begannen uns mit den Angestellten zu unterhalten, oder über unsere eigenen Fehler lachen, was zur allgemein positiven Stimmung beitragen kann. Wer lacht denn nicht gerne? Und als Außenseiter fühlt man sich so nicht mehr.

Das ist sicherlich kein Allheilmittel, aber es hilft wie meist freundlich und respektvoll zu sein. Mit einem aufrichtigen Lächeln auf den Lippen kann man schon so einiges erreichen und mir hat das allgemeine eher zurückhaltende Verhalten der Menschen hier in Japan geholfen, ein wenig mehr aus mir selbst herauszukommen. Witziger Funfact: In Deutschland habe ich nicht einmal das Personal in einem Supermarkt gefragt, wenn ich etwas nicht gefunden habe. Entweder ich bin so lange umhergeirrt bis ich es gefunden habe, oder ich bin ohne wieder nach Hause. Hier in Japan ist das kein Problem für mich.

Dazu habe ich hier begonnen, gezielt auch mit Menschen zu sprechen, um mehr über diese zu erfahren. Natürlich nur, wenn es die Situation begünstigt hat, denn ich bin auch kein Freund davon, dass man wahllos auf der Straße von irgendwem angequatscht wird.

Japaner sind gerne unter sich – wir auch

Japaner sind gerne unter sich, sagt man immer und Japaner lieben ihre Privatsphäre und ihren persönlichen Freiraum. Das kann man natürlich nun negativ hinstellen und sich selbst als Außenseiter sehen, wenn man das unbedingt will und eine extrem extrovertierte Person ist. Aber seien wir mal ehrlich zu uns selbst, wer mag es nicht seinen eigenen persönlichen Bereich zu haben. Die wenigstens wollen von irgendwem, den sie nicht kennen, angesprochen werden, wenn es nicht unbedingt sein muss. Und Menschen haben sich doch schon immer in kleinen Gruppen zusammengefunden und haben Neuankömmlinge erst neugierig oder kritisch Beäugt.

Es dauert manchmal seine Zeit bis man vom Außenseiter bis zum Mitglied einer Community wird. Das liegt aber nicht nur an den Menschen, welche bereits an einem Ort leben, sondern auch an uns, wie wir aus dem Ausland nach Japan ausgewandert sind.

Wir freuen uns darauf, von dir zu hören

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