Die Oni zählen zu den bekanntesten und faszinierendsten Kreaturen der japanischen Mythologie und Folklore. Bei den ihnen handelt es sich um eine Art von Yōkai, bei denen es sich oft um gehörnte, rot häutige und grimmig aussehende Dämonen handelt. Auch wenn diese Wesen zu den Yokai gezählt werden, werden Sie auch immer wieder als Japanische Oger bezeichnet. Aber auch Erzählungen von Oni mit blauer oder andersfarbiger Haut sind in den alten Geschichten zu finden und nicht immer werden ihnen von den Menschen negative oder Bösartige Eigenschaften zugesprochen. Auch ist es auf dem ersten Blick gar nicht immer so leicht ersichtlich, was ein Oni ist und was nicht.
Man glaubt, dass sie in den Bergen oder in Höhlen von Japan leben. Sie gelten als Wesen, welche die Macht des Donners und des Blitzes in sich tragen und bösartige Vergehen wie Mord und sogar Kannibalismus begehen sollen. Über Jahrhunderte hinweg haben sie eine wichtige Rolle in der japanischen Kultur, Kunst und Geschichtenerzählens gespielt und sind auch heute noch ein wichtiger Bestandteil der japanischen Volkskultur.

Der Oni, mehr als nur ein japanischer Dämon
Das Wort Oni bedeutet auf Japanisch „Dämon“ oder „Oger“ und ist von einem chinesischen Schriftzeichen abgeleitet, welches ursprünglich „Gespenst“ oder „Geist“ bedeutete. Man geht davon aus, dass diese Wesen zusammen mit dem Buddhismus um das 6. Jahrhundert von China nach Japan gelangt sind. Einigen buddhistischen Texten zufolge sind die Oni die Geister böser Menschen, die in einer der niederen Daseinsbereiche wiedergeboren wurden, die Naraka (Hölle) oder Preta (hungrige Geister) genannt werden. Diese Welten sind Orte des Leids und der Qualen, in denen die Bewohner permanent von Hunger, Durst, Hitze, Kälte, Schmerz oder Angst geplagt werden.
Man sagt, dass die Oni die Wächter oder Peiniger dieser Reiche sind und die Sünder entsprechend ihrem Karma bestrafen.
Jedoch entstammen nicht alle von ihnen menschlichen Seelen. Einige von ihnen werden als Erscheinungsformen von Naturkräften oder -phänomenen wie Donner, Blitz, Wind, Feuer, Wasser oder Erdbeben angesehen. Diese werden von den Einheimischen, welche ihren Schutz oder ihre Gunst suchen, oft als Götter oder Geister verehrt. Raijin zum Beispiel ist der Gott des Donners und des Blitzes, der als Oni-ähnliche Figur mit Trommeln und Hämmern dargestellt wird. Fujin ist der Gott des Windes, der als Oni-ähnliche Figur mit einem Windsack dargestellt wird. Suijin ist der Gott des Wassers, der durch verschiedene Wasserwesen oder Humanoide mit fischähnlichen Zügen dargestellt wird.
Eine weitere Quelle der dieser Wesen ist die Verwandlung oder Mutation von Tieren oder Pflanzen in dämonische Formen. Dies kann aus verschiedenen Gründen geschehen, z. B. durch Umweltverschmutzung, Strahlung, Magie, Flüche oder einfach durch langes Leben. Füchse, Tanukis, Schlangen, Katzen und Wildschweine sind unter anderem einige der Tiere, die ab einem bestimmten Alter oder wenn sie genügend Kraft erlangt haben, zu einem Oni werden können. Ebenso können sich einige Pflanzen wie Pflaume, Bambus, Gras oder Baum unter bestimmten Bedingungen in Oni verwandeln.
Ihr Verhalten – nicht alle sind Böse
Diese mythologischen Wesen gelten im Allgemeinen als grausame und bösartige Wesen, die es genießen, Menschen und anderen Lebewesen Schaden und Verderben zuzufügen. Sie greifen oft Reisende, Dörfer oder Tempel an, um sich zu amüsieren, zu essen, Schätze zu sammeln oder um sich zu rächen. Sie sind äußerst stark und geschwind sowie in der Lage, verschiedene Arten von Magie und Waffen einzusetzen, um ihre Feinde zu bekämpfen. Diese haben zudem die Fähigkeit, sich in die unterschiedlichsten Gestalten zu verwandeln, um ihre Opfer zu täuschen oder zu verführen.
Oni können männlich oder weiblich sein, aber die meisten von ihnen treten in der Geschichte als Männer auf. Weibliche Oni werden manchmal auch Yamauba genannt, was übersetzt in etwa Berghexe bedeutet. Sie werden im Allgemeinen als alte Frauen mit langen Haaren und Fingernägeln dargestellt, die in den Bergen leben und sich an Reisende oder Kinder vergreifen.
Allerdings sind nicht alle von ihnen böse oder direkt feindselig gegenüber den Menschen. Einige Oni können freundlich, hilfsbereit und loyal sein,
oder sogar heldenhaft sein, je nach Situation oder Persönlichkeit.
Bekannte Oni aus der Geschichte
Shuten-dōji
Shuten-dōji war der Anführer einer Bande von Oni, welche Kyoto in der Heian-Zeit terrorisierte. Er wurde als mächtiger und skrupelloser Oni beschrieben, welcher junge Frauen entführte sowie aß und ihr Blut mit Sake vermischt trank. Jedoch war er auch ein kultiviertes und intelligentes Wesen, welches sich an Poesie und Musik erfreute. Letztlich wurde er jedoch von Minamoto no Yorimitsu und seinen vier Gefolgsleuten besiegt, nachdem sie sich als Mönche verkleidet hatten und in sein Versteck am Berg Ōe eingedrungen waren.
Benkei
Benkei war ein legendärer Kriegsmönch, der als loyaler Begleiter von Minamoto no Yoshitsune diente, einem berühmten General des Genpei-Krieges. Angeblich stammte er von einem Oni ab und verfügte über außerordentliche Stärke und Tapferkeit. In vielen Schlachten kämpfte er tapfer und starb erst bei der Belagerung von Koromogawa no tate bei der Verteidigung seines Meisters Minamoto no Yoshitsune.
Momotarō
Momotarō war ein Volksheld, der aus einem riesigen Pfirsich geboren wurde, welchen zuvor ein altes Ehepaar gefunden hatte. Er wuchs zu einem starken und mutigen Jungen heran, der gemeinsam mit seinen tierischen Freunden, einem Hund, einem Affen und einem Fasan, ein Abenteuer auf der Insel der Oni erlebte. Dort besiegte er den Oni-König und seine Armee und kehrte mit ihrer Beute zu seinen Eltern zurück.
Die verschiedenen Bedeutungen der Oni
In der japanischen Mythologie und Folklore spielen die Oni eine bedeutende Rolle, da sie in vielen Geschichten und Legenden vorkommen, welche die Kultur, Geschichte und Werte Japans widerspiegeln. Sie stehen für die Kräfte des Chaos, der Zerstörung und des Bösen, welche die Ordnung, die Harmonie und das Gute in der Welt bedrohen. Oft bilden sie die Antagonisten oder Hindernisse, welche die Helden oder Protagonisten überwinden oder besiegen müssen. Sie dienen auch als Symbole für Angst, Gefahr oder Versuchung, die die Moral, den Glauben oder den Mut der Figuren auf die Probe stellen. Sie können zudem als Metaphern für Naturkatastrophen, soziale Probleme, persönliche Schwächen oder psychologische Probleme gesehen werden, die das Leben der Menschen beeinflussen.
Andererseits können diese Wesen auch die Kräfte des Wandels, der Kreativität und der Vielfalt darstellen, die den gegenwärtigen Zustand, die Tradition und die Konformität der Welt herausfordern. Sie treten nicht selten als Protagonisten oder Verbündete auf, mit denen die Helden oder Protagonisten zusammenarbeiten oder von denen sie lernen müssen. Sie fungieren auch als Symbole für Stärke, Weisheit oder Humor, die die Figuren inspirieren, lehren oder unterhalten. Auch können sie als Metaphern für kulturelle Einflüsse, künstlerische Ausdrucksformen, individuelle Talente oder spirituelle Erkenntnisse gesehen werden, die das Leben der Menschen bereichern.

Ihre Diversität
Diese Form von Yokai sind keine monolithische oder homogene Gruppe von Wesen. Sie unterscheiden sich in ihrem Aussehen, ihrer Persönlichkeit, ihren Fähigkeiten und ihrer Rolle. Es gibt viele Arten und Unterarten von Oni, mit unterschiedlichen Namen, Ursprüngen, Eigenschaften und Funktionen. Einige von Ihnen werden gar als eine eigene Art von Yokai bezeichnet. Hier sind ein paar mythologische Wesen, welche je nach Quelle ebenfalls als eine Art von Oni bezeichnet werden.
Akuma
Dies sind Dämonen, die mit dem Bösen, der Sünde und der Versuchung in Verbindung gebracht werden. Sie werden oft als gehörnte Humanoide mit Fledermausflügeln und Schwänzen dargestellt. Sie können von Menschen oder anderen Wesen Besitz ergreifen oder sie durch ihre Macht oder ihren Einfluss verderben.
Ibaraki-dōj
Dies ist ein berühmter weiblicher Oni, welcher die Geliebte oder Tochter von Shuten-dōji war. Man sagte, sie sei eine Meisterin der Gestaltwandlung und der Magie, die sich selbst als eine andere Person verwandeln konnte. Sie entkam dem Angriff von Minamoto no Yorimitsu am Berg Ōe und verfolgte ihn später am Rashōmon-Tor in Kyoto.
Kappa
Diese oft nur als Yokai bezeichneten Kreaturen sind Wassergeister, die humanoiden Schildkröten mit Schwimmhäuten an Händen und Füßen und einer schalenartigen Vertiefung auf dem Kopf ähneln. Sie sind schelmische und schelmenhafte Wesen, die gerne mit Menschen oder Tieren in der Nähe von Flüssen oder Teichen ringen. Sie können auch hilfsbereit und freundlich sein, wenn man ihnen mit Respekt begegnet oder sie mit Gurken besticht.
Namahage
Namahage sind Oger, welche Strohmäntel und Masken tragen und Messer oder Sicheln als Waffen mit sich führen. Sie besuchen die Dörfer in der Silvesternacht, um böse Geister zu vertreiben und faule oder unartige Kinder zu ermahnen. Sie können aber auch Glück oder Segen bringen, wenn sie mit Sake oder Essen besänftigt werden.
Noppera-bō
Dies sind gesichtslose Geister, die so lange als normale Menschen erscheinen, bis sie ihre leeren Gesichtszüge enthüllen, um ihre Opfer zu erschrecken. Es handelt sich um harmlose, aber spielerische Wesen, die den Menschen gerne Streiche spielen oder sie aus Spaß aufziehen.
Onibi
Onibi sind eine Art leuchtende Feuerbälle, welche nachts in der Luft schweben. Man sagt, sie seien die Seelen von toten Menschen oder Tieren, die zu Yōkai geworden sind. Je nach ihrer Farbe oder Stimmung können sie harmlos oder aber auch gefährlich sein.
Tsuchigumo
Es handelt sich hierbei um Spinnen, die zu enormer Größe heranwachsen und menschliche Gestalt annehmen können. Sie sind Feinde von Drachen und Schlangen, welche in Bergen oder Höhlen leben. Sie können ihre Gegner mit Netzen, Gift oder Magie angreifen.
Ushi-oni
Ushi-Oni sind ochsenköpfige Dämonen, die einen tierischen Körper haben, wie Spinnen, Krebse, Pferde oder Schlangen. In der Nähe des Meeres oder von Seen leben sie und machen Jagd auf Fischer oder Reisende. Sie können Feuer oder Gift spucken, um ihre Opfer zu verbrennen oder zu lähmen.
Kann man sich gegen sie wehren?
Man sagt, dass diese schaurigen Kreaturen glücklicherweise nicht immun gegen buddhistische Exorzismen sind. Durch diese Prozeduren können die Oni erfolgreich zum friedlichen bekehrt werden und ein normales Leben beginnen.
Unter den Anhängern des Shinto gab es eine uralte traditionelle Zeremonie zur Austreibung von Geistern. Die Zeremonie, welche als Oni-yarahi bekannt war, an der Schauspieler in gruseligen Dämonenmasken teilnahmen, wurde jährlich am letzten Tag des Jahres veranstaltet.
Die Menschen glaubten, dass während der Oni-yarahi-Zeremonie alle Arten von Krankheiten, Pech, Unglück und Katastrophen erfolgreich vertrieben werden konnten und ein neues Jahr ohne diese begonnen werden konnte.
Mehr als nur ein Yokai
Die Oni sind weit mehr als nur ein Yokai, da andere Wesen der Japanischen Mythologie, zwar eventuell als Yokai klassifiziert werden, zugleich aber auch eine Form von Oni sein können. Es ist eine unglaublich interessante Form von Wesen, da ihre Darstellung, ihr Verhalten, eigentlich alles um sie herum zu verschwimmen scheint um sich mit anderen Elementen und Wesen der japanischen Fabelwelt zu vereinen.
Wer mehr über die Yokai wissen möchte und diesbezüglich auch einige originale Ausstellungsstücke, der sollte einmal im Tokyo Nationalmuseum in Ueno vorbeischauen. Jeden zweite Sonntag im Monat ist der Eintritt für die Dauerausstellung kostenfrei.
Lust auf noch mehr Yokai?
Zahlreiche weitere Yokai finden sich auf unserem Blog unter der Kategorie Mythologie.