Review – Missing Children

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Missing Children, auf Japanisch Yukue Fumei (行方 不明) ist ein Horror-Adventure des japanischen unabhängigen Entwicklerstudios Chilla’s Art. Das kleine Studio hat bereits zahlreiche kleine Horror-Adventures veröffentlicht, darunter The Convenience Store und The Karaoke, welche wir zuvor auf unserem Blog besprochen haben.

Wie auch die anderen Werke von Chilla’s Art, besticht Missing Children nicht durch Komplexität, hochwertige Grafik oder eine lange Spieldauer. Auch hier liegt der Fokus vor allem an der sehr detaillierten Darstellung verschiedenster Eigenschaften des japanischen Lebens. Sei es der Blick auf die Menschen selbst, ihre Gewohnheiten und Probleme, oder die Darstellung der Spielwelt.

In Missing Children übernimmt man die Rolle eines sogenannten Bully Detective, also eines Mobbing Detektiv auf der Suche nach mehreren plötzlich verschwundenen Kindern. Es geht darum, die Wohnorte der Kinder aufzusuchen, Nachbarn und Verwandte zu befragen und natürlich auch darum, weitere Hinweise entlang des Weges zu finden, um das Rätsel der verschwundenen Kinder zu lösen.

In der Haut eines Bully Detective

Ein Mobbing Detektiv ist im Grunde ein Privatdetektiv, welcher sich auf die noch relativ neue Form der Mobbing Investigation fokussiert. Im Fokus stehen hier vor allem junge Menschen, welche Opfer von Mobbing sind. Ein Mobbing Detektiv versucht also im Rahmen seiner Möglichkeiten den Problemen des Opfers und seinen Peinigern auf den Grund zu gehen und bemüht sich dabei, das Problem mit den Mitteln des Rechts zu lösen.

Gemeinsam mit Beamten der lokalen Polizei besucht man verschiedene Orte einer namentlich nicht genannten Kleinstadt und lernt dabei, wie für die Spiele von Chilla’s Art üblich, allerlei schrullige Charaktere kennen.

Aus der Egoperspektive betritt man die verschiedensten Grundstücke und Gebäude und spricht mit den Eltern und Nachbarn der verschwundenen Kinder. Im Anschluss geht es darum, die Orte relativ frei zu erkunden, um nach weiteren Hinweisen zu suchen.

Wonach man genau suchen muss, erfährt man, während man den Aussagen der Charaktere lauscht. Wobei Lauschen hier eigentlich nicht das richtige Wort ist. Die Gespräche werden vor allem in Textform geführt und nur ab und an gibt es kürzere Einwürfe und Bemerkungen auf Japanisch zu hören.

Im Laufe des Spiels besucht man jedoch nicht nur neue Orte, sondern muss auch regelmäßig an bereits besuchte zurückkehren, um neu gewonnenes Wissen zu nutzen.

Wirkliche Rätsel muss man hierbei jedoch eigentlich nie lösen und es hat eher den Anschein einer Schnitzeljagd, da man vor allem verschiedene Objekte am richtigen Ort, jedoch auch zur richtigen Zeit finden muss.

Subtiler Grusel

Missing Children enthält natürlich auch den subtilen Grusel, basierend auf japanischen Horror, für den Chilla’s Art bekannt ist. Nicht nur sind einige zu besuchende Orte, mysteriös oder auch gruselig. Auch einige Charaktere können mit ihren Aktionen für eine Gänsehaut sorgen, wenn man sich auf das Spiel und seine Stimmung einlassen kann.

Der Jinmenken

Der seltsamste Moment ist jedoch die Begegnung mit einem Jinmenken (人面犬) einem mythologischen Wesen in Form eines Hundes mit dem Gesicht eines Menschen. Diese Wesen sollen sich laut Erzählungen nachts in den urbanen Regionen von Japan herumtreiben. Man sagt, dass Jinmenken besonders schnell laufen können und es wird davon berichtet, dass einige von ihnen auf den Expressways Autos überholen können, um dann die Fahrer mit ihren menschlichen Gesichtern anzusehen.

Die Geschichte der Jinmenken geht dabei auf die Zeit um das Jahr 1810 zurück, als in einer Ausstellung, genannt Misemono ein Hundewelpe mit einem scheinbar menschlichen Gesicht ausgestellt wurde. Die moderne Erzählung des Jinmenken ist dabei jedoch noch relativ jung und geht auf die Zeit zwischen 1950 und 1990 zurück.

Missing Children und die verlorenen Windräder

Neben der Suche nach Kindern gibt es eine weitere kleine Nebenaufgabe, welche wichtig für das Ende der Geschichte sein kann. Einige Charaktere, welche man auf seiner Suche trifft, äußern bestimmte Wünsche, welche man ihnen erfüllen kann. Hierbei handelt es sich in der Regel um verschiedene Dinge, welche man ihnen bringen muss. z. B. steht vor dem Getränkeautomaten neben dem Koban ein Mann, welcher verzweifelt etwas zu trinken haben möchte, jedoch benötigt er hierbei ein wenig Hilfe.

Wer vor dem Finale von Missing Children also allen Menschen, denen man begegnet, hilft, der beeinflusst somit auch den Ausgang der Geschichte. Denn von jedem bekommt man ein kleines Windrad, welches man an einen bestimmten Ort im Spiel platzieren muss, um die Götter zu besänftigen.

Ein Blick auf die Technik – typisch Chilla’s Art

Wie auch die anderen Spiele des Studios darf man ebenso bei Missing Children nicht mit einer technischen Glanzleistung rechnen. Ich finde das gar nicht so tragisch, denn vor allem die Liebe zum Detail der Umgebung sucht in der Welt der Spiele, welche eine Handlung im gegenwärtigen Japan haben, ihresgleichen.

Auch wenn fast alle Texturen relativ niedrig aufgelöst sind und somit ein zumeist unscharfes Bild ergeben, findet man doch beim genaueren Betrachten zahlreiche liebevolle Details, welche es ganz eindeutig als Japan auszeichnen. Sei es der Koban, die Klimaanlagen, oder die bunt befüllten Getränkeautomaten. Jeder, der einmal in Japan war und sich auch ein wenig abseits der Hotspots umgesehen hat, wird zahlreiche Elemente wiedererkennen.

Hier erkennt man das echte Japan

Wie auch in den anderen Spielen von Chilla’s Art, finden sich auch hier zahlreiche Anspielungen an bekannte Markennamen. Vor allem die verschiedenen Getränke in den Automaten lassen den Japankenner einige Augenblicke verweilen, um herauszufinden, welches hier die Vorbilder waren.

Auch das Innere der verschiedenen Gebäude erinnert klar an typische japanische Häuser und in diesem Spiel auch an verschiedene Architekturen. Von günstig oder klassisch bis modern und auch traditionell, findet man auch in diesem Spiel die Vielfalt der typisch oftmals zusammengewürfelten Gebäude, welche man aus dem typisch japanischen Stadtbild kennt.

Die Charaktere sind zumeist auch nur recht statische Figuren, welche sich, wenn überhaupt,ssssssssssssssssss nur recht wenig bewegen. Dazu kommen die Texturen, welche an Fotos erinnern und auf die Modelle geklebt wurden, weswegen vor allem die Figuren an die Zeit der originalen Playstation erinnern, nur eben höher aufgelöst.

Ein wenig VHS Gefühl?

Auch typisch für Chilla’s Art ist der typische VHS Filter, welcher Missing Children aussehen lässt wie einen Film, welchen man sich auf einem alten Röhrenfernseher ansieht. Dieser ist jedoch auch optional abschaltbar, wodurch das Bild ruhiger und klarer wird. Welchen Stil man am Ende bevorzugt, liegt natürlich an jedem selbst.

Viele Einstellungen für die Grafik gibt es nicht, und die vorhandenen machen eigentlich keinen besonders großen Unterschied, ob sie nun ein- oder ausgeschaltet sind.

Wie schon angemerkt, mag ich den altbackenen aber zugleich detaillierten Stil des Spiels. Wobei ich mir dennoch wünschen würde, sie würden aufhören, das ganze regelmäßig mit super realistischer Optik zu bewerben, denn auch wenn der Stil selbst in der Realität angesiedelt ist, ist hier nichts realistisch oder gar super.

Nervige Dunkelheit und extreme Vignettierung

Ein Aspekt stört mich in dem Spiel jedoch ganz besonders und das ist die Dunkelheit, welche teilweise alles verschluckt. Da das Spiel zumeist in der Dunkelheit spielt, ist man selbst mit einer praktischen Taschenlampe ausgestattet.

Leider bringt diese je nach Ort absolut gar nichts. Einige Objekte der Spielumgebung reagieren gar nicht auf das Licht und somit bleiben tiefschwarze Schatten einfach schwarz, selbst wenn man diese direkt mit dem Schein der Lampe fokussiert. Obwohl man das Gamma des Bildschirm nach oben dreht, bleiben diese Stellen absolut Schwarz und somit wirkt die Optik von Missing Children nicht immer in Bezug auf einen Stil gewählt düster, sondern einfach faul.

Auch um das eigene Sichtfeld herum gibt es einen übermäßig großen dunklen Schatten, welcher das Sichtfeld unangenehm verkleinert und meiner Meinung nach absolut keinen Sinn ergibt. Beklemmende Atmosphäre, kann man auch anders erschaffen.

Die Spannungskurve

Während andere Spiele von Chilla’s Art oftmals einen sehr interessanten Spannungsbogen aufweisen und somit für eine gewisse Anspannung des Spielers sorgen, plätschert die Geschichte von Missing Children bedauerlicherweise zu sehr vor sich hin.

Langsames Handeln und Erleben ist zwar ein besonderer Teil der Spiele dieses Studios. Aufgrund der phasenweise gefühlten nicht linearen Struktur hatte ich leider das Gefühl, dass die Prämisse im Grunde zwar spannend ist und immer wieder kleinere Erlebnisse für interessante Momente sorgen können, alles sich jedoch relativ flach anfühlt.

Auch die letzten Momente des Spiels fühlen sich zwar surreal, aber unnötig gestreckt an, was nicht zuletzt daran liegt, dass man sich relativ behäbig voranbewegt.

Ich glaube zwar die Entscheidung für die Darstellung der letzten Momente zu verstehen, finde jedoch, dass man es bedauerlicherweise nicht besonders gut umgesetzt hat und man kurz vor dem finalen Moment, noch ein Gefühl des Genervt-Seins bekommt.

Vor allem wegen der geringen Spieldauer, welche zwischen 40 und 60 Minuten dauern kann, halten sich diese Momente jedoch in Grenzen und die Auflösung des Rätsels bezüglich der Missing Children bleibt bis zum Ende interessant. Wo sind die Kinder? Wurden sie entführt? Sind sie noch am Leben? Und welches Geheimnis verbindet die Kinder untereinander? Die Lösung dieses wirft auch einen traurigen Blick auf die etwas finsteren Aspekte der japanischen Gesellschaft.

Nicht das beste Werk von Chilla’s Art

Ich war aufgrund der sonst doch sehr positiven Spielerreviews auf Steam ein wenig enttäuscht von Missing Children. Die Idee ist gut und inhaltlich wird man doch mit der typischen Stimmung von Chilla’s Art belohnt. Auch wenn ich den Mut des kleinen Teams immer wieder bewundere und wie talentiert sie sind, wenn es darum geht den japanischen Alltag und die Schattenseiten des Lebens miteinander zu verbinden, hat es bei Missing Children leider nicht ganz geklappt.

Das Spiel fühlt sich relativ offen an und es macht auch Spaß, die verschiedenen Orte zu erkunden, um der Lösung näherzukommen. Dennoch hat man es hier enttäuschenderweise nicht geschafft, die eigentliche Prämisse und damit verbundene Tragik packend in das Spiel zu integrieren. Daher fühlt es sich manchmal eher wie Fleißarbeit auf der Suche nach dem richtigen Pixel, und weniger wie die Aufdeckung eines kleinen Mysteriums an.

Dennoch sollten sich Fans von Japan und japanischen Mysterys davon nicht abschrecken lassen und der geringe Preis von knapp 6 Euro ist auch nicht zu hoch für dieses kleine, etwas ruhigere Abenteuer.
Wie auch die anderen Spiele von Chilla’s Art, gibt es Missing Children auf Steam zu kaufen.

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