Kissaten gehören zu Japan wie viele andere Aspekte, welche man heute ohne viel Nachdenken mit dem modernen Japan in Verbindung bringt. Zwischen der traditionellen und aufwendigen Teezeremonie und den beliebten Ketten wie Starbucks, Excelsior, Veloce, Tullys und wie sie alle heißen, gibt es etwas, was von außerhalb Japans gerne übersehen wird, die Kissaten.
Kissaten (喫茶店) bedeutet frei übersetzt eigentlich „Geschäft, in dem Tee konsumiert wird“, doch ein Kissaten bietet dem Besucher in der Regel viel mehr.

Die Geschichte einer Café-Kultur in Japan
Kissaten gibt es seit dem frühen 20. Jahrhundert, einer Zeit, in der Japan immer stärker vom Westen beeinflusst wurde. Das erste Kissaten in Japan wurde 1888 in Ueno (Tokio) eröffnet. Es trug den Namen Kahisakan und war auf den Genuss von Kaffee ausgerichtet. Damals gab es in Japan sowohl Kissaten als auch Cafés.
In einem Kissaten wurde neben Tee jedoch auch Kaffee serviert, der um 1800 von niederländischen Kaufleuten nach Japan gebracht wurde. Kissaten unterschieden sich von den üblichen Cafés, in welchen auch Alkohol ausgeschenkt wurde und in denen es oftmals laut und eher festlich zuging.
Kissaten waren von Anfang an ruhige und gemütliche Orte, an denen man eine Tasse Kaffee genießen und sich entspannen oder mit Freunden unterhalten konnte. Sie waren zudem ein Treffpunkt für Schriftsteller, Intellektuelle und Künstler, welche die Atmosphäre der Kissaten und die Qualität des Kaffees schätzten.
Eine besondere Stimmung
Einer der reizvollsten Aspekte der Kissaten ist ihre Ausstattung und ihr Stil. Viele Kissaten haben eine Retro-Atmosphäre, die die Showa-Zeit widerspiegelt, als sie besonders beliebt waren. Man findet Kissaten mit Holzmöbeln, antiken Uhren, alten Postern, Jazzmusik und sogar nostalgischen Uniformen für das Personal. Einige Kissaten sind bestimmten Ländern oder Kulturen nachempfunden, z. B. England, Frankreich oder China. Es gibt auch sogenannte „Jazz-Kissa“, in denen Jazz-Platten auf Vinyl abgespielt werden und die Kunden in einer Sammlung von Alben stöbern können.
Kissaten im heutigen Japan
Angesichts der Konkurrenz durch moderne Cafés und Caféketten sind Kissaten in Japan leider immer seltener anzutreffen. Viele Kissaten-Besitzer sind bereits älter und haben Schwierigkeiten, Nachfolger zu finden, welche die Geschäfte übernehmen. Es gibt jedoch noch immer einige Kissaten, welche ihre Tradition und ihren Charme bewahren und die schnelllebige Zeit überstehen.
Auch wenn Kissaten vielleicht nicht mehr das eigentliche Stadtbild des modernen Japan repräsentieren, kann man sie auch in Tokyo in beinahe jedem Bezirk noch finden. Vor allem die ruhigen Seitenstraßen der Städte beherbergen beliebte Kissaten, welche von Jung und Alt besucht werden.
Je nach Kissaten sitzt man auf normalen Stühlen, welche manchmal aber einen sehr rustikalen Stil vorweisen, oder gar auf weichen Bänken, welche eher an Sessel oder Sofas erinnern. Je nach Größe gibt es auch einen Tresen, an dem man direkt auf Barhockern sitzen kann, um auch dem Personal dabei zuzusehen, wie sie unter anderem den Kaffee frisch zubereiten.

Vielseitiges Angebot
Auch heute bieten Kissaten in der Regel nicht nur Kuchen, Kaffee und Tee an, sondern viele von ihnen haben darüber hinaus eine gute Auswahl an deftigen Speisen für das Mittagessen. Curry, Pasta, Sandwiches und mehr stehen bei vielen von ihnen auf der Speisekarte. Neben Kaffee und Tee gibt es natürlich auch andere alkoholfreie Getränke wie z. B. das beliebte Creme Soda.
Je nach Tageszeit gibt es darüber hinaus spezielle Angebote, mit oftmals niedrigeren Preisen, weswegen sich ein wiederholter Besuch, auch zu unterschiedlichen Tageszeiten lohnen kann.
Auch gibt es die beliebten Set Menüs, bei welchem man sich ein Gericht auswählt und ein Getränk im Preis inbegriffen ist. Überhaupt kann man für unter 1000 Yen pro Person schon wirklich sehr gut in einem Kissaten speisen.
Aufgrund der westlichen Inspiration bieten diese Orte zudem die perfekte Möglichkeit, für einen kleinen Zeitraum in die Vergangenheit westlicher Nationen einzutauchen, da Kissaten es oftmals beherrschen, japanische Kultur mit anderen Einflüssen perfekt zu vermischen.
Wer also in Japan unterwegs ist und keine Lust auf die oftmals überfüllten Ketten hat, für den lohnt sich der Besuch in einem Kissaten, um neben der wunderbaren japanischen Gastfreundschaft ein wenig Ruhe und Kultur zu genießen.
Zeit sollte man mitbringen
Wer in einem Kissaten einkehrt, der sollte auch ein wenig Zeit mitbringen, denn neben den Gerichten, welche oftmals mit viel Sorgfalt frisch zubereitet werden, wird auch der angebotene Kaffe von Hand zubereitet. Die Bohnen werden gemahlen und der Kaffee frisch aufgegossen. Die Zubereitung von frischen Pankaces, welche in Japans oftmals besonders fluffig und hoch sind, können, je nachdem wie viele Besucher vor Ort sind, schon einmal 50 Minuten in Anspruch nehmen, bevor sie serviert werden.
Doch dies ist etwas, was viele Menschen in Japan gerne in Kauf nehmen, um die sonst so stressige Zeit ein wenig zu entschleunigen. Gute entspannte Unterhaltungen gehören zu einem Besuch im Kissaten, wie der Kaffee, der Tee oder das leckere Essen, welches man hier genießen kann.
Auch allein kein Problem
Das bedeutet natürlich nicht, dass man immer nur mit Freunden ein Kissaten besuchen muss. Wie auch ein Besuch in einer Bar oder einem Restaurant, ist es auch bei einem Besuch in einem Kissaten nicht unüblich, dass man sich alleine einen Platz sucht, um eine ruhige Zeit zu verbringen.

Das Kissaten Knit in Kinshicho
Kinshicho in Sumida ku ist ein Bezirk, welcher früher wegen einer Strickwarenfabrik florierte. Inzwischen ist diese Stadt zu einem bedeutsamen Bahnhofsviertel geworden, das zahlreiche große Geschäfte und Unterhaltungsangebote bietet. Gerade für Nachtschwärmer bietet dieser Teil im Osten von Tokyo zahlreiche Angebote, und wird manchmal auch mit dem berühmten Bezirk Kabukicho in Shibuya verglichen, wenn auch etwas kleiner. Hier befindet sich das Café Knit, ein Kissaten, welches ich hier noch einmal kurz vorstellen möchte, da wir selbst schon mehr als einmal dort gewesen sind.
Der Name Knit bezieht sich hierbei auf den alten Bezirk Kinshicho und auch das Kissaten selbst blickt auf eine lange Geschichte zurück.
Dieses Café wurde 1966 vom Vater Mr. Ozawa gegründet, welcher damals eine Strickerei betrieb. Der Name Kissa Knit wurde gewählt, da man zumindest den Namen der Strickerei beibehalten wollte. Während in den ersten Jahren nach der Eröffnung des Cafés nur kleine Gerichte auf der Speisekarte standen, gibt es heute eine Vielzahl von Speisen. Zum Beispiel werden Grillgerichte und Kani zosui (eine Art Krabbeneintopf mit Reisbrei) angeboten. Solche Angebote sind selbst in der farbenfrohen Welt der Kissaten eine Besonderheit. Der Reisbrei wurde angeboten, da ganz in der Nähe ein Krankenhaus eröffnet wurde und die von dort aus kommenden Besucher diesen gerne essen wollten.
Zu den beliebtesten Gerichten auf der Karte gehört Spaghetti Napoli, welches man mit einem Getränk zusammen für unter 1000 Yen bekommen kann.
Unser persönliches Highlight sind die Pancakes, welche auf den ersten Blick sehr nach den typisch hohen Pancakes aussehen, welche man in Japan gewohnt ist. Die Besonderheit bei diesen ist jedoch, dass die obere Schicht sehr knusprig ist, weswegen das erste Einschneiden in den Pancake zu einem besonderen Erlebnis wird.

Eine besondere Atmosphäre
Sitzen tut man an relativ niedrigen Tischen auf sehr, sehr weichen Sitzen mit ebenfalls sehr weichen Lehnen. An den Wänden befinden sich zahlreiche Unterschriften von bekannten Persönlichkeiten, welche hier bereits eingekehrt waren und auch Bilder und Poster findet man viele an den Wänden. Dazu kommen zahlreiche Pflanzen und klassisch anmutende dekorative Elemente, welche die wunderbare Stimmung unterstreichen.
Ein besonderer Höhepunkt ist das alte Telefon mit einer Wählscheibe, von dem wir zuerst dachten, es würde nur als Dekoration dienen. Doch wurden wir einmal von dem lauten mechanischen Ringen des Telefons aufgeschreckt, weil ein Anruf von draußen hereingekommen war. Café Knit bietet nämlich auch an, etwas im Vorfeld zu bestellen, um es dann abzuholen und draußen oder daheim zu genießen.
Das Café Knit befindet sich unweit des JR Bahnhofs Kinshicho in der Nähe des Departmentstores, wo sich auch Toho Cinema befindet. Der genaue Standort ist unter dem folgenden Google Maps link zu finden.
Alt aber nicht langweilig
Die Kissaten als Form der Cafés in Japan sind für uns persönlich immer etwas Besonderes. Nicht nur, weil wir so für eine oder zwei Stunden in die Zeit des alten Japan zurückreisen, sondern auch, weil diese Art der Cafés schon in Deutschland eine Seltenheit ist. Und wenn es dann doch welche gibt, sind diese ziemlich teuer. Für vergleichsweise kleines Geld kann man hier eine ganz besondere Zeit verbringen und dabei wirklich fantastisches Essen und Trinken genießen. Es eignet sich einfach perfekt, um dem stressigen Alltag zu entfliehen.
Ein weiterer Kissaten Geheimtipp in Mukoujima ist das Koguma. Hier wurde aus einer alten Apotheke ein gemütlicher Ort geschaffen, an dem man entspannen kann.