Japanische Yokai – der Tengu

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Der Tengu ist ein japanisches Fabelwesen. Während die Religion des Shinto weitgehend auf Japan begrenzt ist, kann man diese Wesen, auch Yokai genannt, in vielen Bereichen der weltweiten Kunst und Popkultur antreffen. In Japan selbst gilt der Tengu als eines der bekanntesten Fabelwesen, welches selbst auch gar kein einfacher Yokai ist.

Das Wesen selbst sieht sich als eine Art Kami, welches die Bezeichnung für die zahlreichen Gottheiten in Japan ist. Aus dem Grund möchte der Tengu auch, dass man ihm mit dem entsprechenden Respekt begegnet und auch darüber hinaus hat er einige sehr interessante Eigenschaften, welche ihn von vielen anderen Wesen aus der japanischen Geschichtenerzählung hervorhebt.

Der Ursprung des Tengu

Der Ursprung dieses Wesens geht dabei auch gar nicht so viele Jahre zurück, wie es bei anderen Wesen der japanischen Mythologie der Fall ist. Man geht davon aus, dass der Tengu, wie man ihn heute als eine fast schon göttliche Figur kennt, erst in der Edo Zeit in Japan zu Bekanntheit gelangte.

Wer die Edo Zeit in Japan näher kennenlernen möchte, sollte übrigens das Edo Tokyo Museum nicht verpassen, worüber wir auch einen Artikel geschrieben haben. Leider ist dieses momentan geschlossen und wird bis 2025 renoviert.

Zurück zum Tengu: Sein eigentlicher Ursprung ist in China zu finden, wo es auf das Wort Tiangou zurückgeht, was in etwa Hund des Himmels bedeutet. Diesem Wesen, oftmals in Form eines Kometen, wurde nachgesagt, dass es der Überbringer von schlechten Nachrichten ist und der Klang, während er durch die Atmosphäre auf die Erde dringt, wurde mit dem Bellen eines Hundes verglichen. Man ging davon aus, dass die Sichtung eines Tiangou den Beginn eines Krieges bedeutet.

Die erste Erwähnung des Tengu in Japan in direkter Verbindung mit einem Meteor soll aus dem 9. Jahr des Kaisers Shoumei stammen. Als die Menschen Zeuge davon wurden, wie ein Meteorit auf die Erde stürzte, soll der Kaiser gesagt haben, dies ist kein Meteor, es ist ein Tengu.

Auch wenn es in Japan die Verbindung des Tengu zu einem Meteor in der Regel nicht gibt, und man ihn ursprünglich vor allem als einen bösartigen Goblin bezeichnet hatte, galt er früher als der Überbringer von schlechten Nachrichten. So soll ein Tengu unter anderem auch den Fall des Kamakura Shogunats vorhergesagt haben.

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Eine Zeichnung eines Tiangou. Bild: Shan Hai Jin, Public Domain

Tengu – die Shinto Gottheit der Berge und der Wälder mit der langen Nase

Vielen ist dieses spezielle Fabelwesen wahrscheinlich vor allem aufgrund seines sehr auffälligen Äußeren bekannt. Sein grimmiges Gesicht und seine überlange Nase gehören zu den prägendsten äußeren Eigenschaften dieses Wesens. Ferner sagt man dem Tengu nach, dass er die Möglichkeit hat zu fliegen, weswegen er oftmals mit großen Flügeln dargestellt wird.

Ansonsten trägt der Tengu oftmals die Kleidung der Yamabushi, der edlen Krieger aus den Bergen, weswegen er nicht nur als der Beschützer der Berge und der Wälder bezeichnet wird, sondern außerdem selbst die Kampfkünste der Yamabushi beherrschen soll. Diese Eigenschaften plus den Erzählungen, dass er obendrein verschiedene Arten von offensiver Magie mit seinem Fächer beherrschen soll, lassen den Tengu schon eher wie einen vielseitigen Superhelden wirken und weniger wie einen Yokai.

Doch nicht immer kann man seine Erscheinung mit der eines Mönchs vergleichen. Immer wieder spricht man ihm auch das Aussehen eines Dämons oder gar eines Kindes zu. Der Tengu ist daher weniger ein Trickser, wie es der Tanuki ist, welcher eher mit hinterhältigen Methoden versucht, die Menschen zu manipulieren, sondern eine mächtige Gestalt mit klaren Aussagen und Eigenschaften.

Auch gibt es einen weiteren Unterschied zu vielen anderen Figuren der Mythologie in Japan. Der Tengu wird in der Regel nicht in einer verniedlichten Form dargestellt, wie man es z. B. bei einem Tanuki oder bei auch bei einem Kappa beobachten kann.

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Ein buddhistischer Mönch und ein Tengu. Bild: Kawanabe Kyōsai, Public Domain

Zwei primäre Arten des Tengu

Der Daitengu

Der große Tengu oder Daitengu wird als ein imposanter Halbmensch beschrieben, dessen auffälligstes Merkmal die lange Nase und seine großen Flügel sind. Dies ist der Tengu, welcher in der Regel in der heutigen Zeit gemeint ist, wenn man seinen Namen in den Mund nimmt. Das rote Gesicht, die lange Nase und seine mächtigen Flügel sind wahrscheinlich das, was wir alle als Erstes mit diesem Wesen in Verbindung bringen.

Der Kotengu

Eine weitere Version ist der Kotengu, welcher auch als Karasu Tengu bezeichnet wird. Auch er trägt wie der Daitengu Mönchsgewänder, doch ist der Kotengu sowohl in seinem Aussehen als auch in seinem Verhalten wesentlich animalischer. Obwohl Karasu auf Japanisch eigentlich Krähe bedeutet, vergleicht man den Kotengu, also den kleinen Tengu, eher mit einem Raubvogel wie dem schwarzen Milan. Im Gegensatz zum Daitengu wird der Kotengu nämlich mit dem Kopf eines Raubvogels bildlich dargestellt.

Während die Daitengu darauf aus sind, die menschliche Gemeinschaft zu erschüttern und sich in die Religion einzumischen, haben Taten der Kotengu eine geringere Tragweite. Doch auch diese Version sollte nicht unterschätzt werden, denn im schlimmsten Fall, so sagt man, können sie einen auffressen. Gleichzeitig wird aber auch in alten Erzählungen davon berichtet, dass sie relativ leicht auszutricksen sind.

Geschichten über den Tengu

Natürlich wurden im Laufe der Zeit zahlreiche Geschichten über den Tengu erzält, welche unterschiedliche Stimmungen und Ausgänge haben können.

Ein Tengu als Freund

Eine Geschichte erzählt von einem jungen Mann mit dem Namen Kintaro, welcher bei einer Wanderung durch die Berge auf einen Tengu trifft. Dieser Tengu fordert Kintaro zu einem Ringkampf heraus. Kintaro nahm die Herausforderung des Tengu an und schlug sich gut, während er mit aller Kraft lange gegen den Tengu bestehen konnte.

Der Tengu war angesichts dessen äußerst beeindruckt von den Fähigkeiten Kintaros und bezeichnete ihn daraufhin nicht nur als einen Freund, sondern unterrichtete ihn auch in der Kunst des Schwertkampfes, des Bogenschießens und der Magie. Kintaro wuchs als als ein stolzer Mann auf und wurde ein bekannter Krieger mit dem Namen Sakata no Kintoki.

Der kleine Junge und sein Bambus

Eine weitere Geschichte handelt von einem kleinen Jungen, welcher immer in einen Holen Bambusstock schaute und behauptete, dass er dadurch geheime Welten entdecken könnte. Eines Tages sah der Junge beim Blicken durch seinen Stock wie ein Tengu am Himmel fliegen. Als der Junge mit seinem Stock auf den Tengu zeigte, bemerkte ihn das fliegende Wesen und kam zu ihm herunter. Der Tengu fragte den Jungen, was er mit dem Stock tun würde, worauf der Junge erzählte, dass dies ein magischer Stock sei, mit dem er alles sehen könnte.

Dies machte den Tengu neugierig und er fragte, ob er sich den Stock einmal ausleihen dürfte. Der Junge stimmte zu, bat ihn jedoch vorsichtig zu sein und ihn nicht zu zerbrechen.

Der Tengu nahm sich den Stock und flog hoch hinauf in den Himmel. Er versuchte etwas Außergewöhnliches durch den Stock zu sehen, doch er erkannte nichts. Sofort überkam ihn die Sorge, dass er den Stock vielleicht zerstört hatte und kehrte zu dem Jungen zurück. Er entschuldigte sich aufrichtig für die vermeintliche Zerstörung des magischen Objektes und schenkte dem Jungen einen Federfächer als Entschuldigung für die Unannehmlichkeiten.

Der Junge nahm das Geschenk an und erklärte daraufhin, dass alles, was den Stick betraf, nur gelogen war. Wütend und peinlich berührt zugleich erkannte das mächtige Wesen, dass es von einem kleinen Jungen ausgetrickst wurde. Dennoch sah er in dem Jungen ein schlaues Kind und respektierte es für seine Aufrichtigkeit.

Der Tengu im heutigen Japan

Die hervorstehenden Nasen, die das auffälligste Merkmal der Tengu sind, werden gemeinhin als Symbol für eine hochmütige Haltung der Selbstzufriedenheit verstanden. Wenn jemand, der in der Öffentlichkeit steht, einen starken Popularitätsschub verzeichnet, hört man häufig, wie andere Menschen nicht selten ihre Missbilligung äußern und sagen: „Er hat sich in letzter Zeit in einen echten Tengu verwandelt.“

Jemand, der als Tengu bezeichnet wird, gilt daher im Allgemeinen nicht nur einfach als selbstsicher, sondern vor allem auch als arrogant.

In vielen modernen Anime- und Manga-Serien gibt es mittlerweile eine Nebenfigur, die sich an einem Tengu orientiert oder von diesen inspiriert wurde und dabei an ihrer langen Nase und ihrem roten Gesicht zu erkennen ist. Die meisten von ihnen sind natürlich keine Hauptfiguren, sondern beschränken sich in der Regel auf eine Nebenrolle als „Trickster“ oder als Antagonisten.

Auch Feste mit dem Tengu im Mittelpunkt werden im ganzen Land immer wieder an verschiedenen Orten veranstaltet. Wie zum Beispiel das Shimokitazawa Tengu Festival im Herzen von Tokyo.

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Ein Maskenumzug an Goryou Schrein in Kamakura, Public Domain

Die Symbolik des Tengu in der heutigen Zeit ist allerdings gar nicht ausschließlich als negativ einzuordnen. Denn je nachdem worum es geht, und wen man genau fragt, werden die Eigenschaften dieses Wesens zugleich als beängstigend aber auch bewundernswert angesehen. Wie so vieles in der japanischen Kultur und Gesellschaft ist auch beim Tengu nicht immer alles so, wie es eventuell auf den ersten Blick scheint.

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