Für dieses Interview haben wir mit Masaki Shion aus der Präfektur Kochi gesprochen. Durch ihre Familie ist sie schon früh mit dem Beruf des Lehramtes in Verbindung gekommen und beschloss, diesen Weg selbst für sich einzuschlagen. Nachdem sie einige Erfahrungen sammeln konnte, entschied sie sich allerdings dazu, mehr für ihre Heimat direkt zu tun.
Heute setzt sie sich mit ihrer Arbeit aktiv für die Präfektur Kochi ein und versucht, die Region auch für Besucher aus dem Ausland interessant zu machen. Wir sprechen ein wenig über ihre Sicht auf das Schulsystem in Japan und den Umgang mit Schülern und Eltern, jedoch auch über die Präfektur Kochi, welche Besonderheiten sie zu bieten hat und was sie sich für die Zukunft erhofft.
Das originale Interview in japanischer Sprache findest du hier.

Masaki San und das Leben als Lehrerin
1. Hallo Masaki-san! Als Erstes möchte ich dich bitten, dass du ein wenig etwas über dich erzählst. Über dich persönlich, aber auch wie es für dich war, in Kochi aufzuwachsen.
Mein Name ist Shion Masaki. Ich bin in der Präfektur Kochi geboren. Dort wuchs ich bis zur Mittelstufe auf. Die Zeit in der Oberstufe verbrachte ich jedoch in Osaka, weit weg von meiner Familie. Als ich zu Beginn in der Präfektur Kochi lebte, hatte ich genug von dem beträchtlichen Maß an Abgeschiedenheit. Doch als ich in Osaka lebte, wurde ich mir der Bedeutsamkeit der Natur in der Präfektur Kochi bewusst. Von da an entwickelte ich eine starke Bindung zu meiner Heimatstadt Kochi.
2. Du hast erzählt, dass du nach deinem Studium begonnen hast, als Grundschullehrerin zu arbeiten. Auch wenn du nicht sehr lange als Lehrerin gearbeitet hast. Wie kam es dazu, dass du dich dazu entschlossen hast, Lehrerin zu werden? Ich habe jedenfalls vollen Respekt für jeden, welcher sich dazu entscheidet, diesen so wichtigen Beruf zu machen, denn er ist alles andere als einfach.
Meine Eltern haben schon immer als Lehrer gearbeitet, daher liegt mir der Beruf des Lehramtes seit meiner Kindheit sehr am Herzen. Ich persönlich denke auch, dass die Junior High School eine Zeit des emotionalen Wachstums ist, in der die Schüler in der Pubertät sind und eine Vielzahl von Emotionen erleben. Außerdem wollte ich die Schüler in dieser unsicheren Zeit unterstützen, und so beschloss ich, selbst Lehrerin zu werden.
3. Wenn du an deine Zeit als Lehrerin zurückdenkst, welche Dinge kommen dir als Erstes in den Sinn? Was hat dir in dieser Zeit besonders gefallen und was hat dich am Ende dazu bewegt, den Beruf zu wechseln?
Ich war gerührt und es fühlte sich an, wie eine Belohnung, als eine Schülerin, welche so lange gegen mich rebelliert hatte, an meinem letzten Arbeitstag weinend zu mir kam und sagte: „Vielen Dank“. Ich hatte viele Probleme mit Schülern, als ich Lehrer war, doch dies war ein Moment, in dem ich dachte, dass das, was ich bis jetzt getan hatte, vielleicht doch kein Fehler war.
Der Grund für meinen Stellenwechsel war, dass ich das Problem der Überlastung im japanischen Bildungswesen aus erster Hand erfahren habe. Neben dem eigentlichen Unterrichten, welches meine Hauptaufgabe war, musste ich mich um Eltern, Papierkram, Vereinsaktivitäten und unzählige andere Aufgaben kümmern.
Alle Lehrer vor Ort waren jeden Tag mit einer Menge Arbeit belastet. Als ich sah, wie sie frühmorgens zur Arbeit gingen und bis spät in die Nacht arbeiteten, wurde mir klar, dass es schwierig sein würde, diesen Beruf für den Rest meines Lebens auszuüben, und ich beschloss, den Beruf zu wechseln.
4. Nach der Grundschule ist es in Japan in der Regel üblich, dass die Schüler eine Schuluniform tragen. Diese Uniformen werden von vielen Menschen im Ausland als besonders positiv angesehen, aber wie stehst du zu diesen? Außerdem kommt aktuell immer wieder das Thema der geschlechtsneutralen Uniformen auf. Hierbei sollte man sich dann die Frage stellen, was bedeutet das und ist es nicht vielleicht besser, in Bezug auf Hosen und Röcke, die Schüler selbst entscheiden zu lassen, was sie am Ende tragen möchten? Egal, ob ein Mädchen eine Hose tragen möchte, oder ein Junge einen Rock?
Ich persönlich halte Uniformen für praktisch, da sie es den Schülern ermöglichen, sich morgens in aller Ruhe fertig zu machen. Es stimmt jedoch auch, dass das alte Konzept, wonach Jungen Hosen und Mädchen Röcke tragen, nach wie vor stark ausgeprägt ist, was einer der Gründe ist, warum LGBT-Schüler darunter leiden.
In letzter Zeit werden immer mehr Schuluniformen eingeführt, die der Vielfalt Rechnung tragen, sodass die Schülerinnen und Schüler frei zwischen Röcken und Hosen wählen können, aber das reicht nicht aus. Es stimmt auch, dass, wie du sagtest, Mädchen problemlos Hosen wählen können, aber für Jungen, die Röcke tragen wollen, ist sehr viel Mut erforderlich, und sie könnten das Gefühl bekommen, dass sie von den Menschen um sie herum verachtet werden. Es wird noch einige Zeit dauern, bis LGBT-Schüler in der Lage sind, frei zu wählen.
5. In vielen Ländern auf der Welt hat man das Gefühl, dass die Schüler keinen wirklichen Respekt mehr vor den Lehrern haben. Wie siehst du die Situation in Japan und warum ist sie deiner Meinung nach, wie sie aktuell ist? Was sind deine persönlichen Gedanken dazu?
Bis vor einigen Jahrzehnten waren Lehrer in Japan sehr geachtet. Auch die Eltern unterstützten dabei die Lehrer sehr. Vielleicht war dies der Grund dafür, dass körperliche Züchtigungen, auch wenn sie natürlich schlecht waren, häufig vorgekommen sind. Heute haben sich die Eltern jedoch verändert, und wenn Lehrer sich über Schüler ärgern, welche etwas falsch gemacht haben, haben sie das Gefühl, dass die Eltern jetzt sagen: „Warum sind Sie böse auf mein Kind? Mein Kind ist nicht böse“.
Ich habe das Gefühl, dass es mehr Eltern gibt, die die Schuld ihres eigenen Kindes nicht akzeptieren können. Früher hatten die Lehrer die „absolute Macht“ in der Schule, aber heute leben wir in einem Zeitalter, in dem Vielfalt in der Gesellschaft anerkannt wird.
Ich hatte auch den Eindruck, dass die Lehrer nicht mehr so oft auf die Schüler wütend werden können, auch weil zum Teil die Grenze, wo und inwieweit Unterschiede und Vielfalt anerkannt werden sollten, undeutlich ist.
Auch wenn dies nur meine persönliche Meinung ist, denke ich, dass Kinder auf eine manchmal problematische Art und Weise klüger geworden sind. Sie können jetzt alle Arten von Informationen schnell mit Smartphones schon in jungen Jahren bekommen. Ich habe das Gefühl, dass sich dies nicht nur auf die Lehrer ausgewirkt hat, sondern auch, dass diese von den Schülern immer weniger respektiert werden (Es tut mir leid, aber ich konnte es nicht anders ausdrücken).

Masaki-san und die wunderschöne Präfektur Kochi
6. In deinem aktuellen Beruf geht es vor allem darum, die Schönheit und Vielseitigkeit der Präfektur Kochi der Welt zu präsentieren. Ich habe 2 Tage mit dir an einem Projekt teilgenommen und wir haben uns auch viel unterhalten können. Was macht deiner Meinung nach die Präfektur Kochi so besonders?
Der Reiz der Präfektur Kochi liegt in ihrer überwältigenden und natürlichen Schönheit. Berge, Flüsse, das Meer und köstliches Essen gibt es in Hülle und Fülle. Hier kann man die Einfachheit des Landlebens genießen.
In der Stadt ist alles vorhanden und man kann ein Leben ohne Unannehmlichkeiten führen. Aber in der Präfektur Kochi gibt es natürlich auch einige Probleme, wie zum Beispiel die sehr geringe Anzahl an Zügen. Ich denke, Kochi ist ein wunderbarer Ort für Menschen, welche mit diesen Einschränkungen leben können
7. Wie bekannt ist Kochi aktuell bei internationalen Besuchern? Bekommt ihr viele Besucher aus dem Ausland? Und wenn dem nicht so ist, was glaubst du könnte man unternehmen, um mehr Menschen nach Kochi zu bringen?
Aufgrund der Corona-Pandemie kommen aktuell fast keine Besucher mehr aus dem Ausland in die Präfektur Kochi. Vor der Corona-Katastrophe besuchten Menschen aus Taiwan, Hongkong, Südkorea, Singapur und China häufig die Präfektur.
Die meisten Ausländer, die die Präfektur Kochi besuchen, sind jedoch Wiederholungsbesucher, die bereits Großstädte wie Tokio, Osaka und Kyoto besucht haben und nun ländlichere Gegenden Japans erkunden möchten. Um in Zukunft wieder mehr Ausländer nach Kochi zu locken, müssen wir in den sozialen Netzwerken und bei Veranstaltungen aktiv für Kochi werben und dafür sorgen, dass die Menschen, die tatsächlich nach Kochi gereist sind, ihrem Umfeld erzählen: „Kochi war toll!“
Ich denke, es ist wichtig, dass sich die Menschen, welche Kochi besuchen, wirklich willkommen fühlen, damit die Menschen, bei ihren Freunden und Verwandten für die Stadt und die Präfektur werben.
8. Das japanische Essen ist weltweit berühmt und ich habe selbst erleben dürfen, dass auch Kochi zahlreiche fantastische Spezialitäten zu bieten hat. Würdest du ein wenig etwas über das Essen von Kochi erzählen? Was sind Gerichte, welche du selbst besonders magst und was würdest du jedem empfehlen, einmal zu probieren, wenn er nach Kochi kommt?
In Kochi gibt es viele köstliche Gerichte, aber „Bonito Tataki“ ist besonders berühmt. Im Gegensatz zu denen von außerhalb der Präfektur hat dieser Fisch keinen Geruch und das Fleisch ist sehr dick geschnitten, sodass man das Gefühl hat, man würde Fleisch und keinen Fisch essen.
Außerhalb der Präfektur wird er mit einer Soße ähnlich wie Ponzu (japanischer Zitrussaft) gegessen, aber in Kochi ist der Shio Tataki (Salz Tataki), der mit sonnengetrocknetem Salz gegessen wird, sehr beliebt. Aufgrund der Frische genügt es, den Fisch in Salz zu tauchen, um ihm einen exquisiten Geschmack zu verleihen.
Auch Sushi aus den ländlichen Regionen fernab der Küste ist sehr zu empfehlen. Anstelle von Fisch wird hier Wildgemüse (Shiitake-Pilze, Shikotake, Myoga und Ryukyu) verwendet und dem Reis Yuzu-Essig zugesetzt. Die Präfektur Kochi ist außerdem Japans größter Yuzu-Produzent.
Da hier keine tierischen Produkte verwendet werden, können auch Vegetarier und Veganer dieses Sushi genießen. Und wir empfehlen natürlich das Boushipan (Brot in Form eines Hutes)! (lacht)
9. Was ist typisch für die Menschen, welche in Kochi leben? Gibt es Eigenschaften, welche deiner Meinung nach im Vergleich zu anderen Regionen in Japan besonders hervorstechen?
Die Menschen in Kochi sind oft neugierig und auf eine gute Art großzügig. Der Tosa-Dialekt, welcher im östlichen und zentralen Kochi gesprochen wird, ist für Menschen außerhalb der Präfektur oftmals schwer zu verstehen. Doch ich finde, sie sprechen einen interessanten Dialekt, welcher dem Kansai-Dialekt ähnelt. Außerdem sind viele Menschen starke Trinker (natürlich gibt es auch viele, welche den Alkohol nicht sehr gut vertragen) und trinken auf Trinkgelagen sehr viel Alkohol.
10. Zum Abschluss würde ich doch bitten noch ein paar Worte zu sagen. Vielleicht was du dir für Kochi, aber vielleicht auch ganz Japan für die Zukunft wünscht? Oder hast du noch ein paar Empfehlungen für die Leser?
Die Präfektur Kochi befindet sich im südlichsten Teil von Shikoku und ist nicht so einfach zugänglich wie andere Regionen in Japan. Angesichts dessen sagen leider viele Japaner, dass sie noch nie in Kochi waren. Daher bin ich der Meinung, dass die Präfektur Kochi eine noch unerforschte Region ist. (lacht)
Aber wenn die Menschen einmal hierherkommen, wird sie die herrliche Natur willkommen heißen und Ihr Herz sicher erhellen. Damit viele Ausländer, die sich für Japan interessieren, hierherkommen, möchte ich die guten Eigenschaften der Präfektur Kochi durch meine derzeitige Tätigkeit vermitteln und ihnen zeigen, was Kochi zu bieten hat.
Und eines Tages heißt es dann für die Menschen aus dem Ausland: „Wenn ich nach Japan reise, möchte ich nach Kochi! Ich würde es begrüßen, wenn Kochi als Reiseziel öfter erwähnt werden würde.“

Ich möchte mich bei dir herzlich bedanken, dass du dir die Zeit genommen hast, all unsere Fragen zu beantworten. Ich bin mir sicher, dass unsere Leser nicht nur einige interessante Sichtweisen durch dich kennengelernt haben, sondern auch ein klein wenig neugieriger auf die Präfektur Kochi geworden sind.
Mehr über die Präfektur Kochi findest du in unserem Artikel Kochi – Natur, Geschichte und Papier und natürlich auf der offiziellen Tourismus Webseite der Präfektur Kochi.