Die in der ehemaligen Provinz Tosa gelegene Präfektur Kochi gehört zu den Regionen in Japan, welche oftmals aufgrund ihrer Lage von Reisenden ignoriert werden. Kochi befindet sich auf der Insel Shikoku, welche ein wenig abseits von den gut miteinander vernetzten zentralen Regionen Japans liegt.
Hier gibt es keine direkte Verbindung mit dem Shinkansen, sondern wer mit dem Zug anreisen möchte, der fährt in der Regel als Erstes mit dem Shinkansen bis nach Okayama. Von dort aus geht es weiter, mit einem anderen Zug in Richtung Kochi. Auch innerhalb der Präfektur selbst gibt es leider nicht so viele Bahnlinien und man erkundet sie entweder mit einer der lokalen Buslinien, mit einem gemieteten Tourbus, oder am bequemsten mit einem gemieteten Auto.
Trotz dieser komplizierteren Verbindungen lohnt sich ein Besuch in dieser Region, auch wenn man nur die nähere Umgebung der Stadt Kochi selbst erkunden möchte. Ich hatte die Möglichkeit, die Präfektur und einige ihrer Ortschaften zu besuchen und habe dabei zahlreiche spannende und auch faszinierende Eindrücke gewonnen. Einen weiteren Beitrag über die Region Shikoku und ihre atemberaubende Natur, findet ihr in unserem Artikel Atemberaubende Natur entdecken im Iya Tal.


Die Hauptstadt und ihre Burg
Die Hauptstadt der Präfektur ist die gleichnamige Stadt Kochi, welche auf Japanisch mit einem langen Laut, also Kouchi gesprochen wird. Sie bietet eine wunderschöne Küstenlinie mit zauberhaften Stränden am Pazifischen Ozean im Süden und ist in den anderen Himmelsrichtungen von wunderschöner Natur und beeindruckenden Bergen umgeben.
Obwohl 40 % der Gesamtbevölkerung der Präfektur Kochi in dieser Stadt leben, gerät man selten wirklich in Gebiete, wo man sich wirklich inmitten einer großen und pulsierenden Stadt befindet. Die beinahe schon nostalgisch wirkenden Trams, welche den primären öffentlichen Nahverkehr darstellen, unterstreichen das Gefühl einer Stadt, die zwar zahlreiche moderne Aspekte zu bieten hat, jedoch an zahlreichen Ecken an das alte Japan und seine Traditionen und Geschichten erinnert.
Eine der besterhaltenen Burgen in Japan mit geschickter Verteidigung
Inmitten der Stadt Kochi befindet sich innerhalb eines wunderschönen Parks die Burg Kochi, genannt Kochi-Jo. Die Burg hatte ursprünglich den Namen Otakayama-Jo, was auf den Hügel, auf dem sie sich befindet, hindeutet. Später als der Yamauchi Clan die Kontrolle über die Burg erhielt, wurde sie zuerst in Kawanakayama-Jo umbenannt und später dann in Kochi-Jo. Im Zuge dessen wurde auch die zu Beginn sehr schwache Verteidigung der Burg aufwändig aufgewertet.
Betreten wird das eigentliche Gelände der Burg Kochi durch das zweistöckige Otemon Tor. Direkt vor dem Tor ist man auf drei Seiten von Mauern umgeben, welche zahlreiche kleine Löcher haben, von denen aus auf Angreifer geschossen werden konnte. Daher war es beinahe unmöglich, an dieser Stelle nahe an das Tor zu kommen oder die Mauern hinaufzuklettern.
Wer heutzutage durch das Tor schreitet, wird einen weiteren sehr interessanten Aspekt der Verteidigungsstrategie entdecken: Die zahlreichen Stufen, welche hinauf zur Steinterrasse führen, haben unterschiedliche Höhen und sind jeweils unterschiedlich lang. Die Idee dahinter ist ganz einfach. Feindliche Krieger, welche es schaffen würden, in die Burg einzudringen, hätten es schwer, die unregelmäßigen Treppenstufen heraufzurennen und könnten somit viel einfacher abgewehrt werden. Dies ist auch zurückzuführen auf den Umstand, dass es wesentlich leichter war, für die Verteidiger von oben nach unten zu stürmen.
Dennoch ist die Burg Kochi in ihrer Geschichte nie wirklich das Ziel von Angriffen gewesen. Auch aus dem Grund, weil der Yamauchi Clan, welcher hauptsächlich in dieser Region regierte, eine gute Beziehung zum regierenden Shogun hatte.
Hier sei auf das Familienwappen des Yamauchi Clan hingewiesen, welches nicht nur rein zufällig an das heutige Logo der bekannten Automarke Mitsubishi erinnert. Der Gründer des Unternehmens stammt nämlich aus Kochi. Der Yamauchi Clan hatte im Auftrag des Tokugawa Shogunats die Kontrolle über die Region und somit auch über die Burg übernommen, nachdem der vorherige Clan beim Shogunat in Ungnade gefallen war.


Das nächste Tor, durch welches man hindurch muss, bevor man den Burgturm der Burg Kochi erreicht, ist das Tsumemon Tor. Dieses Holztor ist mit massiven Eisenplatten versehen, was ein Aufbrechen, aber auch das In-Brand-Setzen erschwerte. Nach diesem Tor knickt der Weg um 90 Grad ab, was verhindern soll, dass große Gruppen von Angreifern einfach so in das Innere hineinstürmen können.
Auch die direkte Lage des Tores am Ende der Treppenstufen ist bewusst gewählt. Das Tsumemon, welches komplett schwarz lackiert ist, soll somit die Angreifer direkt auf sich als Ziel fokussieren, sodass diese beim unvorsichtigen Heranstürmen von drei Seiten gleichzeitig mit Kanonen und Bögen angegriffen werden können. Der Name Tsumemon, kommt übrigens von dem Wort Tsumeru, was in etwa bedeutet in der Pflicht zu sein, oder im Dienst.
Der zweite Stock des Tores diente nicht nur als Verbindung zu zwei Gebäuden, welche für Feierlichkeiten, Zeremonien aber auch als Wohnraum für den Feudal-Lord verwendet wurden. Dies war außerdem der Bereich für die Wachen der mittleren und hohen Samuraiklasse, welche hier für die Verteidigung bereitstanden.
Der Hauptturm der Burg selbst hat eine Höhe von über 18 Metern und bietet im Innern 6 Etagen, welche heute auch für die Ausstellung zahlreicher originaler Artefakte dienen. Auch ein großer Modellnachbau der originalen Burganlage kann hier in Miniaturform bewundert werden. Vom obersten Stock hat man einen fantastischen Ausblick auf die Anlage, die Stadt Kochi, sowie die weitläufige Natur, die sie umgibt.
Aufgrund eines Feuers brannte die Burg im Jahr 1727 komplett nieder, wurde jedoch zwischen den Jahren 1729 bis 1753 auf Basis der originalen Pläne wieder aufgebaut. Die Burg selbst überlebte die Zeit bis heute ohne größeren Schaden. Auch den Boshin Bürgerkrieg und die Meiji Restauration überstand die Burg Kochi ohne Schaden. Selbst von den Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges blieb die Burg verschont, was sie heute zu einer der am besten erhaltenen Originalburgen des Landes macht.


Traumafter Nyodo Fluss in Kochi
Die Präfektur hat neben ihren charmanten Menschen und historischen Aspekten auch atemberaubende Natur zu bieten. Wunderschöne Bergketten, endlose Wälder und unfassbar klare Gewässer lassen sich hier finden. Kochi ist ein Paradies für Naturfreunde und Wanderer und die Menschen hier sind sich dessen bewusst. Der beste Ort, die klaren Gewässer zu bewundern, ist dabei der Niyodo Fluss, welcher auch als Niyodo Blue bezeichnet wird.
Der Nikobuchi Teich
Schon entlang der Straßen verlaufen klare Flüsse, welche bei gutem Wetter in einem beinahe surrealen Blau erscheinen. Wer sich z. B. auf den Weg zur Stadt Ino macht, findet dort den Nikobuchi vor. Dies ist ein kleiner See mit einem Wasserfall, welcher so klar ist, dass man bis auf den Grund hinuntersehen kann. Dieser Ort gilt als ein besonders heiliger natürlicher Platz in der Präfektur und somit wird man schon sehr früh darauf hingewiesen, in diesem Gewässer nicht zu schwimmen. Auch das Wasser mit den Händen zu berühren ist verboten, sowie mit einer Kamera Aufnahmen unter der Wasseroberfläche zu machen. Ebenso sollte vom Essen und vom Trinken abgesehen werden, da dies die hier wohnenden Götter stört.
Ein weiteres Zeichen für die hohe Qualität des Wassers sind die zahlreichen Pflanzen, welche um den See herum wachsen. Je nach Jahreszeit kann man hier ein wahres Farbenmeer von Blüten entdecken.
Wer ein wenig mehr Wandern oder auch schwimmen möchte, der kann darüber hinaus zur Nakatsu Schlucht gehen. Auch hier ist das Wasser unglaublich klar und wird von einem beeindruckenden Wasserfall durchgehend mit frischem Wasser versorgt. Entlang des Weges bis zum Uryu Wasserfall trifft man auf zahlreiche Statuen von verschiedenen Gottheiten, welche jeweils für einzelne Aspekte des Lebens stehen. Hier gibt es außerdem zahlreiche Stellen, an welchen vorrangig Kinder gerne baden gehen und von den Felsen in das Wasser springen.


Achtung, Kappa …
Unser lokaler Guide hatte uns auch eine Geschichte aus der eigenen Kindheit erzählt. Die Großeltern wollten ihre Kinder vom Schwimmen in diesem Fluss abhalten, indem sie ihnen erzählten, dass dort unten ein Kappa hausen würde. Dieses mystische Wesen würde, sobald die Kinder im Wasser schwimmen, Jagt auf diese machen.
Die Kinder ließen sich davon aber nicht täuschen und begannen, in dem Fluss zu tauchen und ihn nach dem Kappa abzusuchen. Somit erzählten sie ihren Großeltern, dass dort unten gar kein Kappa sei. Diese erwiderten daraufhin, dass er womöglich nur heute nicht da ist, aber beim nächsten Mal bestimmt kommen wird. Aber auch davon ließen sich die Kinder nicht abhalten und suchten Tag für Tag im kühlen Nass nach dem angeblichen Kappa, welcher jedoch nie gefunden wurde.


Der Uryu Wasserfall
Der Uryu Wasserfall ist für sich mit seinen zahlreichen Kaskaden, welche hinunter in den Fluss rauschen, schon mehr, als beeindruckend anzusehen. Doch die hohen Klippen, welche den Wasserfall, aber auch den Ort, an dem man steht, überragen, tauchen alles in ein mysteriöses schummriges Licht, während hoch über einem das strahlende Sonnenlicht zu sehen ist. Ein wirklich faszinierender und geheimnisvoller Ort!


Mit einer Yakatabune über den Niyodo Fluss
Wer das Wasser gerne hautnah erleben möchte, ohne dabei selbst nass zu werden, für den empfiehlt sich eine Rundfahrt über den Niyodo Fluss mit einem Yakatabune Hausboot. Eine Tour mit einem solchen Boot geht ungefähr 50 Minuten und ein lokaler Guide kann zahlreiche Geschichten zu den lokalen Traditionen und der Bedeutsamkeit des Wassers erzählen. Aktuell gibt es diese Führungen leider nur auf Japanisch, doch die Präfektur Kochi arbeitet aktuell an einem Projekt, was es Menschen auch ohne Japanischkenntnisse erleichtern soll, die Geschichten der Einheimischen zu verstehen.
Bei unserer Fahrt über den Fluss konnten wir fast immer bis auf den Grund hinabsehen und die Fische beobachten. Auch verschiedene Vögel waren zu sehen und die deutlichen Reflexionen der umliegenden Berge auf dem stillen Wasser verliehen der kompletten Szenerie einen unwirklichen Anstrich.
Alles wirkte zu perfekt, beinahe schon wie eine Computergrafik, und doch kann man sich von der Echtheit und der Schönheit dieser Umgebung überzeugen, indem man einfach nur die Hand in das Wasser hält.


Tosa Washi – ein spannendes Museum mit Workshop
Bevor sie den heutigen Namen Kochi erhielt, war der Name dieser Region Tosa und auf diesen Namen geht auch die bekannte Handwerkskunst der Tosa Washi Papierherstellung zurück. Die Stadt Ino beherbergt das Tosa Washi Museum und bietet nicht nur zahlreiche Ausstellungsstücke zum Thema Papier als fertiges Produkt, sondern präsentiert auch die teilweise extrem komplizierten Gerätschaften, welche benötigt werden, um das bekannte Washi Papier herzustellen.
Auch gibt es hier die Möglichkeit, an einem Workshop teilzunehmen, um selbst unter genauer Anleitung Papier herzustellen, welches man dann auch mit nach Hause nehmen kann.


Ein Ausflug in die Geschichte des Tosa Washi
Die Geschichte des Tosa Washi ist natürlich ganz allgemein auch mit der Geschichte des Papiers verbunden, welche bis auf das Jahr 200 vor Christus zurückgeht. In dieser Zeit wurde im alten China begonnen, Papier herzustellen:
- In der Asuka Zeit, um 610, besuchte ein buddhistischer Mönch, welcher die Herstellung von Papier verstand, Japan.
- Im Jahr 764, in der Nara Zeit, wurden in Japan eine Million kleine Pagoden aus Papier im Auftrag der Kaiserin Shotoku hergestellt. In ihnen befanden sich die Dharani Sutren, welche als die ältesten Druckerzeugnisse Japans gelten.
- Im Jahr 927 gab es die erste schriftliche Erwähnung über die Papierherstellung in der Region Tosa, sowie in weiteren beinahe 40 Provinzen Japans.
- Der eigentliche Beginn des Tosa Washi soll auf das Jahr 930 innerhalb der Heihan Zeit zurückgehen.
- In der Azuchi Momoyama Zeit, um das Jahr 1591, wurde in der Region der heutigen Stadt Ino das Tosa Nanairogami hergestellt. Dies war ein Set aus 7 Bögen Papier in jeweils einer anderen Farbe.
- Im Jahr 1601 wurde das Tosa Nanairogami dem Shogunat übergeben. Seitdem wurde dieses Papier ausschließlich über das Dorf Naruyama gekauft, welches der Ursprung der heutigen Stadt Ino ist.
- Im Jahr 1826 wurde Genta Yoshii im Dorf Ino gebohren und widmete sein Leben der Herstellung von Washi Papier.
- Im Jahr 1860 entwickelte Genta Yoshii eine Technik, um großformatige Papierbögen herzustellen, was die Herstellung von hochwertigem Papier extrem beschleunigte.
- 1908 wurde eine Tram-Linie als Verbindung von Ino zur Stadt Kochi eingerichtet, welche ausschließlich für den Transport von Papier eingesetzt wurde.
- Im Jahr 1958 konnte zum ersten Mal das Tengujo-shi genannte Papier maschinell hergestellt werden.
- 1973 wurde Tosa Tengu-shi als nationales Kulturgut eingetragen.
- Seit dem Jahr 1976 gilt Tosa Washi als nationales, traditionelles Handwerk.
Neben dieser Geschichte war Tosa Washi aber auch für einen großen Teil des Papiers in Europa und anderen Ländern verantwortlich, welches dort für die Schreibmaschinen genutzt wurde. Somit war das japanische Tosa Washi ein bedeutsamer Teil der industriellen Papierproduktion in weiten Teilen der Welt.
Die aufwändige Herstellung von Tosa Washi
Die Herstellung von Tosa Papier ist aufwändig und benötigt viel handwerkliches Fachwissen. Dabei ist es nicht nur die Herstellung des Papiers selbst – auch die Gerätschaften, welche für dieses traditionelle Handwerk benötigt werden, werden unter mühevoller Kleinarbeit von Hand konstruiert.
Die Rohstoffe selbst gehen dabei durch zahlreiche Schritte vom natürlichen Rohstoff Holz bis zum benutzbaren Papier und der Grundstoff verliert dabei bis zu 96 % an Gewicht:
- Das rohe Holz mit einem Gewicht von 5.500 Gram wird als erstes von seiner Rinde befreit.
- Ohne die Rinde haben die Stöcke nun nur noch ein Gewicht von 825 Gram, wonach weitere Teile der äußeren Rinde entfernt werden.
- Mit einem Gewicht von nur noch 300 Gramm, also knapp 5,5 Prozent des ursprünglichen Gesamtgewichts, wird das Holz jetzt in einer speziellen Flüssigkeit für 2 Stunden gekocht.
- Das Holz hat danach nur noch ein Gewicht von 275 Gram und wird gebleicht und abgetropft.
- Mit nur noch 250 Gramm hat das rohe Papiermaterial jetzt bloß noch 4,5 Prozent des ursprünglichen Gewichts.
- Das fertige getrocknete, aber noch faltige Papier hat nach weiterer Verarbeitung noch ein Gewicht von 245 Gram.
- Geglättet und geschnitten haben 4 Sho-jigami Bögen (Papierbögen) am Ende noch ein Gewicht von 220 Gram, was nur noch 4 % des einstigen Gewichts des Rohstoffes ist.
Uns wurde auch versichert, dass alles, nicht für das Papier benötigte Material des Rohstoffs, für andere Dinge weiterverwendet werden, sodass nichts weggeworfen werden muss.
Leider leidet auch diese Handwerkskunst, wie auch viele weitere traditionelle Künste in Japan, unter einem Mangel an Fachkräften und vor allem jungen Menschen, welche diese Kunst in die Zukunft weitertragen möchten.


Eine vielseitige kleine Welt
Die Präfektur Kochi und ihre Menschen haben vieles zu bieten und stechen mit einigen Aspekten deutlich hervor. Die Geschichte der Präfektur, die Handwerkskünste sowie oftmals unberührten Natur sind es wert, besucht zu werden, auch wenn sie ein wenig weiter entfernt von den großen Ballungszentren zu finden sind.
Hier sei auch noch einmal die mitreißende Tanztradition Yosakoi erwähnt, welche in Kochi geboren wurde und heute nicht nur ganz Japan, sondern die Menschen überall auf der Welt zu begeistern weiß. Passend hierzu haben wir auch einen entsprechenden Artikel veröffentlicht.
Auf der offiziellen Tourismus Webseite der Präfektur Kochi gibt es darüber hinaus noch viel mehr zu entdecken.