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Leben in Japan

Eine Fahrt mit der Yakatabune – von salzigem Tee und garstigen Krabben

Wer schon einmal die Bucht von Tokyo am Abend gesehen hat, dem werden bestimmt die vielen beleuchteten Schiffe namens Yakatabune aufgefallen sein. Diese Schiffe gehören fest zur Kultur der japanischen Hauptstadt, genauso wie die Schreine oder die Anime- und Mangakultur. Von so einer Yakatabune bewundert man nicht nur die Vielseitigkeit von Tokyo vom Wasser aus, sondern auf diesen Schiffen kann man auch frisches traditionelles Essen genießen oder auch gleich an einer Karaoke-Party teilnehmen.

Wir haben uns gedacht, dass wir zu unserem Hochzeitstag nun einmal mit so einer Yakatabune fahren wollen und über unseren gemeinsamen Abend sowie ein wenig mehr über die Geschichte dieser schönen Schiffe möchte ich euch in diesem Artikel erzählen.

Yakatabune, das japanische Hausboot

Der Name Yakatabune stand ursprünglich für Boote der Unterhaltung und des Vergnügens. Eine Yakatabune ist ein Boot mit einer Länge von etwa 20 Metern und besteht beinahe vollständig aus einem überdachten Raum mit Platz für 15 bis 100 Personen. Neben dem Kapitän und wenig Personal zum Bewirtschaften der Gäste ist der Großteil des Bootes für die Gäste vorgesehen. Oftmals kann man auch über eine Leiter auf das Dach der Yakatabune steigen, um von dort aus den Blick auf die umliegende Landschaft zu genießen. Der Hauptraum ist mit Tatami-Matten ausgelegt, sodass es üblich ist, wie auch vor dem Betreten einer Wohnung in Japan, sich die Schuhe auszuziehen.

Die Geschichte der Yakatabune geht bis auf die Heihan-Zeit zurück und erlebte ihren Höhepunkt in der Edo-Zeit als Japan die Flussläufe erweiterte. In dieser Zeit wurden die Boote von den regierenden Bürgerklassen, den Samurai sowie wohlhabenden Kaufleuten, genutzt, um von ihnen aus Feuerwerke, Kirschblüten oder die Sterne zu beobachten. Auch war die Yakatabune schon immer ein Ort, an dem man vielseitige musikalische Unterhaltung genießen konnte und aufwendige Dinnerpartys veranstaltet wurden.

Die Yakatabune, welche über den Sumidafluss im alten Edo schipperten, waren besonders imposant und luxuriös gestaltet, da sie mit Gold, Silber und hochwertigen Lackierungen verziert waren. Diese Blütezeit hielt bis zum Ofune kenzo no kin an, der Zeit, in der die Konstruktion großer Schiffe von Tokugawa Hidetada verboten wurde.

Heute erfreuen sich die mit Laternen verzierten Yakatabune aber wieder größter Beliebtheit. Neben einem entspannten Mittagessen oder Dinner kann man auch von hier aus die alljährlichen Feuerwerke der Stadt vom Wasser aus bewundern, oder an Bord bei einer Karaoke-Party mitmachen.

Die Reservierung

Oft schon hatten wir gesagt, dass wir auch einmal mit einer Yakatabune über den Fluss fahren wollen. Zu schön ist der romantische Anblick, der sich einem auch vom Ufer immer wieder bietet. Auch hatten wir das Gefühl, so eine Fahrt auch wirklich einmal machen zu müssen, um wirklich in Japan angekommen zu sein. Denn natürlich ist es schön, die Yakatabune immer wieder zu fotografieren und zu sehen, wie viel Spaß die Gäste haben, doch ohne selbst einmal teilgenommen zu haben, ist das Leben am Sumida Fluss einfach nicht komplett.

Bei einem Spaziergang entlang des Flusses war uns dann an einer Anlegestelle eine kleine Box mit Flyern aufgefallen. Solche Boxen mit Flyern und Informationen zu den verschiedensten Angeboten findet man überall in Tokyo und es lohnt sich wirklich, einfach mal zuzugreifen. Wir nahmen also einen solchen Flyer mit nach Hause und beschlossen, eine Fahrt zu unserem Hochzeitstag zu unternehmen. Oder ein paar Tage später, da unser Hochzeitstag auf einen Montag fiel, aber wer will denn schon so kleinlich sein?

Die Reservierung machten wir dann über die verlinkte Internetseite von Yakatabune Tsurishin und dabei konnte man aus verschiedenen Kursen auswählen. Es gab Fahrten um die Mittagszeit, aber auch zum Abend und auch die Auswahl der Menüs unterschied sich immer ein wenig. Wir wollten unbedingt die vollen 2,5 Stunden bis in die Bucht von Tokyo nach Odaiba und zurück zum Skytree fahren und gaben diese Informationen auch bei der Buchung an. Natürlich geht auch hier nichts ohne eine Telefonnummer für eventuelle Rückfragen.

Einen Tag später wurden wir auch vom Betreiber der Yakatabune-Fahrten per E-Mail kontaktiert, worauf er uns mitteilte, dass er noch nicht sagen kann, ob sie am Freitagabend wirklich ablegen würden, da er eine Mindestzahl an Gästen einplanen müsste. Wir fragten ihn daraufhin, wie es denn Samstag aussehen würde und er meinte, dass hier die Chance für eine Fahrt ab 18:00 recht hoch sei. Also verlegten wir unsere Fahrt einfach um einen Tag nach hinten und warteten auf die finale Bestätigung.

Am Dienstag vor unserer Abfahrt bekamen wir dann eine weitere E-Mail mit der Bestätigung, dass die Yakatabune ablegen würde und wir wurden noch einmal gebeten, alle Daten zu bestätigen. Ich schaffte es gar nicht, auf die E-Mail zu antworten, da bekamen wir schon einen direkten Anruf, wo uns gesagt wurde, dass wir wegen der Corona-Maßnahmen nicht mit Bargeld bezahlen könnten. Wir müssten per Banküberweisung bezahlen, was aber für uns auch kein weiteres Problem war. Wir freuten uns jedenfalls schon riesig auf den Samstag!

Treffen am Infoschalter & rauf aufs Boot

Die Abfahrt war um 18:00 geplant und wir sollten uns um 17:45 am Infoschalter des Yakatabune Betreibers treffen. Wir waren nicht die ersten und der Raum war wirklich winzig, mit nur wenigen Plätzen. Es wurde dann auch nicht besser, als eine kleine Familie mit Kindern kam, ein älteres Ehepaar und eine Gruppe junger Männer ebenfalls den Raum betraten, um mit dem Boot zu fahren. Ein wenig beengt bekam dann nochmal jeder erklärt, dass man auch eine AR App für das Smartphone installieren konnte, um dann vom Fenster aus Fotos zu machen, die dann mit ein paar Elementen aus der Edo-Zeit aufgewertet wurden.

Es war uns nicht ganz klar, wie das Ganze am späten Abend unter dem Nachthimmel funktionieren sollte, aber dazu später mehr. Mit ein wenig Verspätung machten wir uns dann alle gemeinsam auf den Weg zu unserem Boot. Es war nur über die Straße rüber und dann eine Treppe runter, wo wir auch freundlich vom Kapitän der Yakatabune begrüßt wurden. Die Schuhe kamen vor dem Betreten in einen Plastikbeutel und wir bekamen dann auch sofort unseren Platz zugewiesen.

Zwei dusselige Gaijins auf großer Fahrt

Nach einer kurzen Erklärung zur geplanten Fahrt, wo die Toilette ist und was alles im All-You-Can-Drink-Menü enthalten ist, ging es auch schon los. An unserem Platz wartete bereits eine große Flasche Asahi Superdry, Sashimi und große Krabbenzangen auf uns. Nachdem uns etwas Bier eingeschenkt wurde, begannen wir auch sofort mit dem Essen. Na ja, wir versuchten es zumindest.

Es begann auch gleich so richtig bescheuert. Wir hatten eine große Kanne auf unserem Tisch und Susann dachte dann, oh cool, das ist Tee, magst du welchen? Ja klar, warum nicht, sagte ich und sie begann, unsere Gläser zu füllen. Fehlanzeige, das war eher salzig und wohl für später gedacht. Also ganz heimlich wieder zurück damit in die Kanne.

Wir müssen nun auch gestehen, dass wir eigentlich gar nicht so die Krabbenfans sind. Was auch gar nicht unbedingt am Geschmack liegt, sondern eher daran, dass wir nicht gerne in unserem Essen herumstochern. Unsere Unerfahrenheit zeigte sich auch gleich, als ich versuchte, die Schere der Krabbe mit der Hand zu brechen. Ich sah, dass ein Mann neben uns diese mit seinen Zähnen öffnete, aber das wollte ich mir nicht zumuten.

Nachdem ich also eine Weile versucht hatte, effektiv das Fleisch der Krabbe mit meinem Stäbchen herauszubekommen, kam die Bedienung an den Tisch und meinte, dass ich doch besser die Schere nehmen sollte. Ich hatte die Schere gar nicht gesehen, aber ich merkte, nachdem ich mich ein wenig angestrengt hatte, dass sie wirklich sehr gut ihren Zweck erfüllte. Damit sollte es aber auch noch nicht vorbei sein.

Ich versuchte also, die nun geöffnete Schere der Krabbe mit meinen Stäbchen zu leeren. Jetzt war es die weibliche Bedienung, die mir einen sehr schmalen kleinen Löffel gab und meinte, dass es damit doch viel einfacher ging. Inzwischen war ganz deutlich, dass wir zwei Gaijins so gar keine Ahnung vom Krabbenessen haben. Good job! Aber auch das sollte es natürlich noch nicht gewesen sein.

Nachdem wir unser Sashimi gegessen hatten, brachte man uns leckeres frisches Tempura an den Tisch. Die Bedienung erklärte uns dann, dass wir die eine Schale nicht für die nicht essbaren Teile der Krabben als Ablage nehmen sollen. Diese kommen in einen Behälter am Ende des Tisches. Zu unserer Verteidigung muss ich aber auch sagen, dass wir diesen ebenfalls nicht gesehen haben, da so viel Zeug auf unserem Tisch stand. Auch die Schere und den kleinen Löffel hatten wir zuvor gar nicht bemerkt, aber vielleicht will ich mich hier auch nur aus der Sache herausreden. In diese kleine Schale kam nämlich ein wenig Brühe, um das Tempura darin einzulegen, bevor es gegessen wird. Ihr erinnert euch an den salzigen Tee?

Also ja, wir haben uns beim Essen ein wenig dusselig angestellt, aber gleichzeitig hatten wir viel Spaß mit den Angestellten. Wir unterhielten uns über Odaiba und die Rainbow Bridge, erklärten, dass man diese auch zu Fuß überqueren kann und sprachen über Morning Musume, Michishige Sayumi und Takashi Ai. Takashi Ai war das liebste Idol der weiblichen Bedienung und sie erzählte ihrem Kollegen begeistert davon, welcher aber scheinbar etwas weniger Interesse an Idols hatte als sie.

Er war vor allem damit beschäftigt, uns ein wenig etwas über die verschiedenen Orte am Ufer zu erzählen und welche historische Relevanz sie hatten. Auch zu allen Brücken hatte er eine kleine Geschichte auf Lager, was die ganze Fahrt nicht nur zu einem wunderbaren Dinner machte, sondern auch sehr interessant war. Bei der Yakatabune-Fahrt kann man also auch noch etwas lernen!

Getrunken hatten wir neben unserem Asahi Bier ein recht großes Glas Nihonshu, Highball und verschiedene Softdrinks. Wie bereits zu Beginn gesagt, es war ein All-You-Can-Drink-Menü und die Auswahl reichte von Säften und Ginger-Ale, über Whiskey, bis hin zu Weinen, Highball und Nihonshu.

Auf das Dach der Yakatabune zur Fotosession

Zuerst hielten wir einige Minuten in der Bucht von Tokyo. Die Rainbow Bridge war deutlich zu sehen, das Riesenrad leuchtete im Hintergrund und das Fuji Television Hauptquartier blinkte in bunten Farben. Die junge Frau, die uns die ganze Fahrt über begleitete und mit allem versorgte, machte dann von Susann und mir, sowie von den anderen Gästen Fotos mit dem eigenen Smartphone oder der Kamera, wenn gewünscht. Es war ein wunderschöner Abend und Tokyo wirkt so unglaublich verschlafen, wenn man vom Wasser aus auf diese wundervolle Stadt blickt. Auch der Tokyo Tower war von hier deutlich zu sehen. Wir erlebten also ein paar ganz besondere Momente.

Sollten wir in Zukunft so eine Fahrt aber noch einmal machen wollen, wovon wir ausgehen, hoffen wir, dass wieder mehr Yakatabune unterwegs sind, und die Bucht voll mit den farbenfrohen Schiffen ist, wie man es von den Werbefotos kennt. Der Vorteil war diesmal aber einfach, dass alles etwas ruhiger war und man die Zeit auf dem Dach ein wenig entspannter genießen konnte, als wenn alle Tische voll besetzt sind und jeder zur gleichen Zeit nach oben möchte.

Auf der Fahrt zurück, den Fluss hinauf, erfuhren wir noch weitere interessante Fakten über die Brücken und auch ein Papierdeckchen an unserem Platz beschrieb die Strecke und die wichtigsten Brücken mit einigen interessanten Informationen in englischer Sprache. Die Eitai Brücke hat eine ganz besonders tragische Vergangenheit. Im Jahr 1698 für den fünften Shogun Tsunayoshi Tokugawa errichtet, kam es im Jahr 1807 zu einem Unglück, als sich zu Feierlichkeiten zu viele Menschen auf einmal auf der Brücke befanden. Diese stürzte daraufhin ein und 1400 Menschen verloren tragischerweise ihr Leben.

Ich möchte hier nochmal auf die AR App zur sprechen kommen. Sie hat funktioniert, auch wenn ich glaube, dass sie tagsüber noch ein wenig besser funktioniert. Man öffnet die App und an bestimmten Punkten schaut man durch die Kamera des Smartphones nach draußen und befindet sich dann inmitten einer wahren Schar von traditionellen Booten aus der Edo-Zeit inklusive einem typisch japanischen Feuerwerk. Ich finde zwar, dass es in Bewegung weit mehr hermacht als auf den Fotos, aber diese Idee ist dennoch wirklich süß und ich habe sie gerne ausprobiert.

Den letzten Halt machten wir mit der Yakatabune vor dem Tokyo Skytree in der Nähe der Sakurabashi Brücke, also gar nicht so weit weg von Zuhause. Das ist nun kein Ort, der uns neu ist, aber wir genossen die neue Perspektive, obwohl es nun schon um einiges kälter geworden war. Auch hier haben wir uns zusammen fotografieren lassen. Wir sind ja ganz und gar nicht die Menschen, die ständig Selfies machen müssen, um diese dann auch noch überall herumzuzeigen, aber diese Momente wollten wir primär für uns noch einmal festhalten.

Nachdem wir ungefähr 20 Minuten vor dem Skytree gehalten haben, waren wir dann relativ schnell auch zurück zur Anlegestelle, wo wir dann ein wenig angetrunken aber glücklich das Boot verließen. Auf dem Nachhauseweg war es nun auch noch kälter als zuvor und ich gab Susann meinen Mantel und trat den Rückweg im T-Shirt an.

Ein einziger nerviger Aspekt

Es gab eigentlich nur eine Sache, die wir ein wenig doof und zugleich auch unsinnig fanden. Wir saßen zu zweit an einem 4 Personen Tisch, mit viel Abstand zu den anderen Gästen, aber zwischen mir und Susann befand sich eine große transparente Platte, durch die man sich nur sehr schwer unterhalten konnte. Wir verstehen und respektieren das Prinzip ja auch in Bezug auf die Sicherheit, aber es hätte wohl mehr Sinn ergeben, das Schild links neben uns in Richtung der anderen Gäste zu stellen. Stattdessen stand das Schild zwischen uns, obwohl wir ja gemeinsam angekommen waren und auch zusammen wohnen.

Diese Schilder findet man in vielen Restaurants und Cafés in dieser Position zwischen sich und dem Begleiter, wo sie oftmals keinen wirklichen Zweck außer scheinbar einer Alibifunktion haben. Denn es wird im Grunde wegen Corona immer vermieden, Menschen, die sich nicht kennen, direkt gegenüber zu setzten. Vielleicht ist der Grund in einem Café auch der, dass man vermeiden will, dass Leute zu lange und zu viel reden, aber auf einem Boot mit einer festen Fahrdauer von über 2 Stunden macht das Ganze nicht so viel Sinn.

Wer mehr über den Bezirk Sumida wissen möchte, der direkt am Sumida Fluss liegt, dem möchte ich unseren Artikel Vielseitiges Tokyo: Sumida ans Herz legen.

Ein tolles Erlebnis, bestimmt auch am Tag

Wir hatten uns bewusst für den Abend auf der Yakatabune entschieden, da wir Tokyo so sehr am Abend und in der Nacht lieben und auch gerne selbst erkunden. Aber wir glauben, dass es sich auch lohnt, eine Fahrt mit der Yakatabune am Tag zu unternehmen. Die Reservierung war in unserem Fall problemlos, das Essen frisch und lecker und das Personal witzig und freundlich.

Ja, vielleicht passiert irgendwann auch noch einmal das Wunder, dass ich mich zu einer Karaoke-Party hinreißen lasse, aber dazu muss wohl erst noch der richtige Alkohol erfunden werden. Wir können nur jedem empfehlen, wenn die Zeit da ist, eine solche Yakatabune-Fahrt zu unternehmen, denn es ist wirklich ein ganz besonderes Erlebnis. In Anbetracht der Wichtigkeit der Flüsse in Japan heute und in dessen Geschichte ist dies auch ein kulturelles Erlebnis, was gar nicht so teuer war und uns eine wunderschöne Zeit beschert hat.

Von Sebastian, 22. April 2022
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Die positiven wie auch die schwierigen Seiten der neuen Heimat lernt man erst nach einer ganzen Weile wirklich kennen. Seit 2018 leben wir nun in Japan und möchten dieses aufregende und doch nicht immer unbeschwerte Erlebnis mit euch teilen. Hier veröffentlichen wir Reiseberichte und mehr über unser tägliches Leben in Japan.
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