Obwohl Kusatsu Onsen eine traditionelle Onsenstadt ist, sind wir eigentlich beide keine regelmäßigen Besucher von öffentlichen Bädern, sei es nun hier in Tokyo oder wenn wir auf Reisen sind. Wir bevorzugen es, private Bäder zu mieten, um dort die entspannte Zweisamkeit zu genießen. Daher stehen japanische Onsenstädte nicht unbedingt immer ganz oben auf unserer Liste. Wobei man auch abseits der Bäder zugeben muss, dass diese Orte ihren ganz besonderen Charme versprühen. Sei es nun die in Wakayama am Kumano Kodo gelegene Stadt Yunomine Onsen, die ebenfalls als Startpunkt für den Wintersport bekannte Onsenstadt Zao Onsen oder Kusatsu Onsen in der Präfektur Gunma.
Oftmals hat man in diesen Orten das Gefühl, dass die Zeit hier ein wenig langsamer vergeht. Egal ob nun traditionelle Gebäude und Sitten, oder einfach nur Häuser, die ein wenig heruntergekommen wirken. Alles wird scheinbar für lange Zeit einfach so belassen wie es ist und die Menschen folgen ihrem eigenen Rhythmus. Um diese Atmosphäre zu genießen, entschlossen wir uns dazu, Kusatsu Onsen zu besuchen.
Einen weiteren Artikel zum Thema Urlaub in einer Onsenstadt findet ihr hier: Zao Onsen: heiße Quellen, dichter Nebel und wilde Tiere.
Ein berühmtes japanisches Gedicht besagt: „Die Krankheit der Liebe kann nicht geheilt werden, weder von einem Arzt noch von den heißen Quellen von Kusatsu“. Dies gilt als ein schriftlicher Beweis dafür, dass das Quellwasser von Kusatsu für seine medizinische Wirkung schon seit jeher bekannt ist.
Der Ort Kusatsu Onsen befinden sich im Westen Japans in der Präfektur Gunma. Seine Quellen gehören neben denen von Gero Onsen (Präfektur Gifu) und Arima Onsen (Präfektur Hyogo) zu den drei größten heißen Quellen in ganz Japan. Ungefähr 32.000 Liter heißes Quellwasser werden hier auf natürliche Weise an die Oberfläche befördert. Diese Menge ist die größte unter allen japanischen heißen Quellen. Die Stadt Kusatsu Onsen ist stolz auf seinen Reichtum an heißem Quellwasser mit besonders hohem Säuregehalt.
Schon kurz nachdem wir in der Stadt angekommen waren, wurde uns schnell klar, warum Kusatsu Onsen eine so bekannte Onsenstadt ist. Im Vergleich zu vielen anderen kleinen Urlaubsorten, die wir bisher besucht hatten, strahlt diese Stadt eine fast schon heimelige Atmosphäre aus.
Zwar ist der Baustil hier auch überall eine Mischung aus Tradition, Moderne und Schrulligkeit, doch vor allem im eigentlichen Stadtzentrum hat man, abgesehen von dem großen grünlich schimmernden Yubatake („heißes Quellfeld“) im Zentrum, nicht unbedingt sofort das Gefühl, sich noch in Japan zu befinden. Zwar enthält Yubatake ca. 4.000 Liter heißes Quellwasser auf einer Fläche von ungefähr 1.600 m² und kann zurecht als eines der Symbole von Kusatsu Onsen bezeichnet werden, doch wirkt alles andere hier doch eher wie ein Bergdorf, welches man auch in Europa finden kann.
Während wir Yubatake umrundeten, bewunderten wir die offenen Plätze und die Gebäude, welche an Stilen alles abdeckten. Von modern bis zum Fachwerkhaus ist alles vorhanden. Natürlich stand auch, wie es sich für eine echte Onsenstadt gehört, der Geruch von Schwefel überall in der Luft. Allerdings war es nicht annähernd so stark wie wir es noch von Yunomine Onsen in Erinnerung hatten, wo man den starken Schwefelgehalt schon lange riechen konnte, bevor man den eigentlichen Ort erreichte.
Wenn es etwas gibt, was wir seit unserem Umzug nach Japan in Tokyo vermissen, ist es ein anständiger Winter mit viel Schnee. In Tokyo muss man schon eine ganze Menge Glück haben, um etwas Schneefall zu sehen zu bekommen. Ob er dann überhaupt liegen bleibt, ist dazu noch mal eine ganz andere Geschichte. Allerdings waren wir erst zum Ende des Winters in Kusatsu Onsen und somit war zumindest in der natürlich erwärmten Stadt nicht mehr besonders viel Schnee zu sehen.
Der Ort ist jedoch auch für sein Skigebiet bekannt, welches man zu Fuß recht problemlos erreichen kann. Also machten wir uns auf den Weg aus dem Stadtzentrum heraus und spazierten vorbei an flachen natürlichen Quellen, die angenehm temperiertes Wasser enthielten. Viele von ihnen wurden von den Besuchern als natürliches Fußbad benutzt und je weiter man voranschritt, desto mehr Schnee kam um uns herum zum Vorschein. Die Bäume wurden weißer, die Wege dank des Schnees rutschiger und wir bekamen sogar einen zugefrorenen See zu Gesicht. Endlich, nach ungefähr drei Jahren in Japan, hatte ich das Gefühl, einen echten Winter zu erleben.
Wir sind beide noch nie Ski gefahren und Snowboard fahren ist uns ebenso fremd. Jedoch kann man in dem Skigebiet von Kusatsu Onsen auch ohne diese Kenntnisse etwas erleben. In einem der zahlreichen Skihütten kann man sich für kleines Geld Schneeschuhe ausleihen und mit diesen dann parallel zur Skipiste den Berg hinauf stiefeln. Zuerst habe ich mir vorgestellt, wie wir mit Tennisschlägern unter den Füßen den Berg hinauf stolpern würden, aber die geliehenen Schneeschuhe waren dann doch schon ein wenig moderner. Dazu gab es dann noch ein paar Stöcke und der Aufstieg konnte beginnen.
Okay, so einfach war es dann doch nicht, da wir erst einmal ziemliche Probleme hatten, den richtigen Eingang zu finden. Zwar hatte man uns eine Karte mitgegeben, doch diese deutete darauf hin, dass wir direkt auf der Skipiste einen kleinen Weg links davon nehmen sollten. Dennoch gab es auf dem Gelände an sich keine wirklich klare Beschilderung, wo es nun für uns hingehen sollte.
Nach bestimmt 15 Minuten suchen, fanden wir heraus, dass man am unteren Ende des linken Skilifts unter dem Lift hindurchgehen muss, um dann auf der anderen Seite in den Wald zu gelangen. Der Aufstieg war ganz schön anstrengend, aber dank der Schneeschuhe hatte man wirklich einen überraschend guten Halt. Rutschen war nicht möglich und ich machte mir selbst auch ab und an einen Spaß daraus, den Berg ein Stück hinauf zu „rennen“.
Leider konnte man aber nicht bis ganz den Berg hinauf, sondern irgendwann verzweigte sich der Weg und man hatte die Option, noch ein wenig weiter den Berg hinauf zu wandern, oder parallel dazu ein wenig in den Wald hinab. Wir entschlossen uns, beide Wege zu nehmen, nachdem wir am eigentlichen Berg das Ende des sicheren Weges erreicht hatten.
Gegen 17:00 mussten wir wieder zurück sein, um das Equipment abzugeben. Es passte auch von der Zeit, sodass wir alle Wege entlang wandern konnten und so machten wir uns langsam wieder auf den Rückweg. Allerdings fragten wir uns, was gehört zu einem richtigen Winter? Genau, ein Schneemann, oder in unserem Fall ein Schneehamster! Also auf halben Wegen noch einmal angehalten, die Handschuhe ausgezogen und die Kugeln gerollt.
Da der Schnee relativ fest war, ist es auch gar nicht so einfach gewesen, ihn richtig in Form zu bringen. Aber Schönheit liegt auch vor allem in der Besonderheit, oder? Nach getaner Arbeit ging es dann weiter den Berg hinab zurück zum Skigebiet. Die Schneeschuhe und Stöcke zurückgegeben und dann glücklich wieder zurück in Richtung Kusatsu Onsen.
Nach dem doch recht anstrengenden Auf- und Abstieg waren wir auch schon ein wenig hungrig. Am Ende entschieden wir uns für ein Restaurant, welches sich auf Soba Gerichte spezialisiert hat. In Tokyo essen wir ja primär Udon, aber im Urlaub probieren wir dann auch gerne die lokal angebotenen Spezialitäten mit Soba.
Die Soba und die Beilagen schmeckten, wie zu erwarten war, richtig gut und das Restaurant selbst bot eine angenehme warme Atmosphäre. Eine Spezialität von Kusatsu Onsen sind übrigens sogenannte Maitake, Pilz Tempura, welche unglaublich lecker waren! Wenn man den Gesprächen der anderen Gäste gelauscht hat, oder den Gesprächen mit der Bedienung, kam auch heraus, dass es wohl auch so etwas wie eine Stammkundschaft dort gibt, was gerade in auf Urlaub fokussierten Orten ja eher eine Seltenheit ist.
Als wir mit dem Essen fertig waren, beschlossen wir, noch einmal durch den Ort zu streifen. Der komplette Ort war in sanftes Licht getaucht: Violett, Rot, Gelb und mehr. Wo man auch hinging, erstrahlte die abendliche Umgebung in einem verträumten Licht. Die kleinen Straßen mit ihren Geschäften, das heiß dampfende Yubatake und die kleinen von einem hohen roten Scheinwerfer angestrahlten natürlichen Fußbäder, an denen wir vorbeigingen als wir den Berg hinauf- und wieder hinunterwanderten, waren wunderschön. Man kann diese Stimmung nur richtig aufsaugen, wenn man auch selbst vor Ort ist. Worte, Fotos oder auch Videos, geben nur einen kleinen Vorgeschmack darauf, was diese Stadt auch nach Einbruch der Dämmerung zu etwas Besonderen macht.
Der Ryokan Kusatsu Onsen Eidaya (Link zur englischsprachigen Webseite), in dem wir übernachteten, bot einen großen Raum zum Ankommen. In der Mitte befand sich ein Tisch auf dem allerlei Spielzeuge ausgelegt waren. Fangspiele mit einer Holzkugel, oder auch Rätsel, bei denen man versuchen musste, metallene Formen voneinander zu trennen, waren genau das, was mich für eine Weile beschäftigen kann. Es gab auch einen großen Gemeinschaftsraum mit Fernseher, einer Spielkonsole, eine Leseecke und natürlich auch heiße Bäder, die man öffentlich nutzen, aber auch für sich privat reservieren konnte. Das Zimmer war ein westlich-japanisches Zimmer mit einem Fernseher, einem Wasserkocher und hatte genug Platz für unser Gepäck.
Bevor wir uns, nach einem leckeren japanischen Frühstück, am nächsten Tag wieder auf den Heimweg machten, wollten wir unbedingt noch einer Yumomi Vorstellung beiwohnen. Yumomi bedeutet so viel wie „die heiße Quelle kneten“ und ist eine traditionelle Technik, die in der Kusatsu Onsen Gegend angewandt wird, um das heiße Quellwasser vor dem Baden abzukühlen. Die Technik wurde in der Edo-Periode (1603 – 1867) entwickelt.
Mit einem langen hölzernen Brett wird das heiße Wasser umgerührt, um die Oberfläche zu „kneten“ und damit abzukühlen. Anders als die übliche Methode, heiße Quellen durch Zugabe von Wasser abzukühlen, erlaubt die Yumomi Methode der heißen Quelle, ihre ursprüngliche Dichte an Mineralien zu erhalten. Das Lied, das währenddessen gesungen wird, heißt „Kusatsu Yumomi-uta“ und ist eine Sammlung von drei traditionellen Melodien, die in der Kusatsu Onsen Gegend gesungen werden.
Bevor die eigentliche Vorstellung begann, konnten wir durchgehend dem Kusatsu Yumomi-uta lauschen. Dieser Song, obwohl er sich innerhalb kurzer Zeit regelmäßig wiederholte, ist noch heute ein Lied, welches ich in meinem Kopf ständig höre. Bevor es dann losging, wurden einzelnen Besuchern auch noch ein paar Fragen gestellt und eine Frage, oder eher die Antwort dazu, fanden alle besonders lustig. Ein Besucher wurde gefragt, ob er zum ersten Mal in Kusatsu Onsen ist und er verneinte dies. Da wurde er gefragt, was denn das Erste war, was er über die Onsenstadt dachte. Die Antwort war kurz und klar: es ist eine stinkende Stadt. Das Gelächter war groß und die Stimmung gut.
Nach der Veranstaltung machten wir uns dann auf den Weg zurück zum Bahnhof, um den Heimweg anzutreten. Mit einem Lächeln auf den Lippen und Kusatsu Yumomi-uta in den Ohren fuhren wir mit dem Zug zurück nach Tokyo.
Es ist nun schon einige Monate her, seit wir in Kusatsu Onsen waren und doch denken wir oft daran: an die schöne Atmosphäre, die Menschen, die vielseitigen Eindrücke. Es ist eine Stadt, bei der die Menschen wirklich wissen, was besonders an ihr ist und wie sie dies den Besuchern vermitteln können. Wenn ich mir eine Onsenstadt aussuchen könnte, wo ich nun spontan noch mal Urlaub machen kann, würde ich wahrscheinlich wieder Kusatsu Onsen wählen.
Wenn ihr nun neugierig geworden seid, könnt ihr euch auf der offiziellen Webseite von Kusatsu Onsen noch ein wenig mehr über den Ort informieren und dann vielleicht auch gleich euren nächsten Urlaub dorthin planen.
Ort: Kusatsu Onsen
Präfektur: Gunma
Webseite (auf Englisch)