Mit dem Fahrrad durch Japans Städte

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Das Fahrrad wird immer beliebter in Japan

Für viele ist nicht das Fahrrad, sondern vor allem in den Städten der Zug und die U-Bahn das Mittel zur Wahl, wenn es darum geht, von A nach B zu kommen. Dennoch kann es nicht nur spannender sein, die Region mit dem Fahrrad zu erkunden, sondern es ist auch sehr praktisch, einen Drahtesel für den Einkauf und andere Touren zu haben. Hierbei gibt es natürlich einiges zu beachten, auf das ich in diesem Artikel näher eingehen möchte.

Eine Katastrophe sorgte für ein Umdenken

Nach dem großen Erdbeben im Jahr 2011 wurde den Menschen in Tokyo bewusst, dass man sich nicht immer auf die öffentlichen Verkehrsmittel verlassen kann und es sinnvoll ist, eine Alternative zu haben. Daher stieg kurz darauf die Zahl der Radfahrer in den großen Städten rapide an und brachte somit neue Chancen, aber auch Probleme mit sich, die noch heute nicht alle gelöst sind.

Die Straße, der Radweg und die Fußgänger

Es gibt grob gesagt drei Möglichkeiten, sich mit dem Rad zu bewegen. Entweder man nimmt die Straße (oftmals sind hier auch spezielle Fahrradspuren deutlich am Straßenrand eingezeichnet), man schaut, ob es einen Radweg gibt, oder man fährt auf dem Fußgängerweg. Alle drei Methoden sind erlaubt, doch als Radfahrer muss man einiges beachten.

Als Erstes gibt es eine empfohlene Richtlinie: Gibt es einen Radweg oder eine Fahrradspur auf der Straße, sind diese zu bevorzugen. Gibt es diese nicht, steht es einem frei, auf der Straße oder auf dem Fußweg zu fahren. Oftmals gibt es hier auch kombinierte Rad- und Fußwege, wie man sie auch aus anderen Ländern kennt.

Doch auch wenn hier deutlich angezeigt wird, auf welcher Seite des Weges gefahren und gegangen werden soll, gibt es immer wieder das Problem, dass die Fußgänger wie auch Radfahrer nicht besonders viel darauf geben. So kommt es in belebten Gegenden regelmäßig zu Beinah-Zusammenstößen. Auch auf den reinen Fußwegen kann es gerne schon einmal sehr eng werden, wenn ein Uber Eats Fahrer oder eine Gruppe Jugendlicher mit ihren Sporträdern versuchen, sich durch die Menge zu schlängeln.

Bei dem Gedanken, direkt auf den stark befahrenen Straßen zu fahren, mag einem vielleicht erst einmal mulmig werden. Dennoch ist dies meiner Erfahrung nach noch immer die angenehmste Möglichkeit, sich fortzubewegen. Die Autofahrer nehmen in der Regel Rücksicht und halten Abstand zu den Fahrrädern und muss man sich auch nicht mit Fußgängern oder Bordsteinen herumärgern, während man die Gegend erkundet.

Geisterfahrer auf dem Fahrrad

Hier gibt es dennoch etwas Wichtiges zu beachten: Leider kommt es immer wieder vor, dass Japaner egal, ob jung oder alt, scheinbar eine Links-Rechts-Schwäche haben, und somit gerne mal komplett auf der falschen Straßenseite fahren. Das passiert nicht nur in ruhigen Straßen (wo ich beim Abbiegen selbst schon einmal beinahe mit einer jungen Frau zusammengestoßen bin), sondern auch regelmäßig auf stark befahrenen Straßen.

Hier stellt man sich dann auch gerne mal die Frage stellt, warum der nette Polizist vor dem Koban nur zuschaut und nicht eingreift. Auch kommt es immer wieder zu Vorfällen, dass Radfahrer ohne zu gucken aus Seitenstraßen herausschießen, welches regelmäßig zu Unfällen führt. Man findet daher an vielen Kreuzungen große Hinweistafeln, die einen darauf aufmerksam machen, bitte vorsichtig zu fahren, da es regelmäßig zu tödlichen Unfällen kommt.

Das Mamachari

Während man sich zu Fuß oder selbst auf dem Rad durch die Straßen bewegt, wird einem ein Fahrrad auffallen, welches typisch für Japan ist: das Mamachari, ein relativ großes und massives Rad, welches es auch mit Elektroantrieb gibt. Diese Fahrräder haben nicht nur oftmals einen oder zwei große Körbe für die regelmäßigen Einkäufe, sondern bieten Eltern auch die Möglichkeit, mit ihren Kindern durch die Straßen zu fahren.

Dabei gibt es nicht nur Varianten mit einem großen Kindersitz hinter dem Sattel, sondern auch Versionen mit zwei Kindersitzen auf der Rückseite und einem vorne beim Lenker. Diese Fahrräder haben praktischerweise auch einen sehr massiven Fahrradständer, sodass sie nicht so einfach umgestoßen werden können, während man die Kinder hineinsetzt oder die Einkaufskörbe befüllt. Mit so einem Verkehrsteilnehmer möchte man besser nicht zusammenstoßen, wenn man sich über die oftmals schmalen Fuß- und Radwege bewegt.

Allerdings sind die Japaner auch ansonsten sehr einfallsreich, diese Fahrräder zu wahren Luxuskutschen für die Kinder aufzurüsten. Somit gibt es die großen Sitze oftmals auch mit einer wetterfesten Abdeckung, sodass die Kinder auch bei schlechten Witterungsverhältnissen trocken die Reise überstehen können. Wenn man zusätzlich zu 3 Kindern auf dem Rad noch ein weiteres Kind am Körper der Mutter in einem Tragetuch schlafen sieht, hat man in der Tat etwas typisch Japanisches gesehen.

Beeindruckend ist auch die Geschwindigkeit, mit welcher viele Frauen ohne Elektromotor auf diesen Fahrrädern über die Straße fetzen. Oftmals macht man dabei aber auch die Beobachtung, dass Kinder scheinbar viel zu groß für die Sitze sind und ihre eigenen Knie beinahe schon vor dem Oberkörper angewinkelt sind.

Fahrradhelme und ein verkehrssicheres Fahrrad

Eine Helmpflicht gibt es in Japan nicht, doch achten in der Regel viele Eltern darauf, auch wenn sie selbst keinen Helm tragen, ihre Kinder mit einem Fahrradhelm zum Schutz auszustatten. Dabei gibt es viele verschiedene witzige Variationen. Von einem Marienkäfer-Aufdruck bis zu einer Mandarine inklusiver grüner Blätter, die nach oben abstehen, gibt es hier beim Design nichts, was es nicht gibt. Auch Fahrer eines Straßenrennrades tragen in der Regel einen Helm, welches aber ebenfalls keine Vorschrift in Japan ist.

Ebenso skurril, wenn man es mit den strengen Regeln in Deutschland vergleicht: Wer sein Fahrrad in Japan nach den Vorschriften verkehrssicher haben möchte, hat in der Regel Speichenreflektoren, ein Frontlicht und einen kleinen Reflektor vorn und hinten. Das war es dann auch schon. Wer sich nun fragt, was mit dem Rücklicht ist, dem sei gesagt: brauchst du nicht. Das kann natürlich auch mal gefährlich werden, ebenso wie solche Radfahrer, die gar keine Beleuchtung an ihren Rädern haben. Es besteht aber natürlich auch die Möglichkeit, sich freiwillig Lichter hinten am eigenen Rad zu befestigen und man sollte sich überlegen, von dieser Option Gebrauch zu machen.

Eine kleine Unannehmlichkeit, die von den Frontlichtern manchmal ausgeht, ist jedoch Folgendes: einige Radfahrer verwenden extrem helle und blendende Lichter und befestigen teilweise mehrere von diesen an ihrem Gefährt. Wenn also alles wild blinkend auf einen zukommt, kann man sich schon mal spontan von jeglicher Nachtsicht verabschieden.

Ein Fahrrad mieten?

Neben der Möglichkeit, sich ein eigenes Fahrrad zu kaufen, gibt es in Japan in vielen Städten auch die Möglichkeit, sich Fahrräder zu leihen. Hierbei gibt es z. B. Anbieter von Sharing-Bikes wie Docomo Bike und Hello Cycling. Je nach Region kann man auch bei lokalen Anbietern Fahrräder ausleihen. Diese sogenannten Sharing Bikes werden auch gerne von Japanern genutzt, die kein eigenes Fahrrad haben, um ein wenig die Region zu erkunden. Dabei kann es aber zu Stoßzeiten dazu kommen, dass an den dafür vorgesehenen Plätzen kein Fahrrad mehr zu finden ist. Und somit verbringt man am Ende mehr Zeit damit, ein passendes Fahrrad zu suchen, als zu fahren.

Eine Region, die mit dem Fahrrad toll erkundet werden kann, ist Shodoshima. Mehr hierzu findet ihr in unserem folgendem Artikel. Dort gibt es zum Beispiel E-Bikes von Hello Cycling, welche man für die hügelige Gegend perfekt nutzen kann.

Ein eigenes Fahrrad

Wer sich länger in Japan aufhält, als Student, mit einem Working Holiday, oder nach dem Erhalt eines Longterm Visa, sollte sich vielleicht überlegen, ein eigenes Fahrrad zu kaufen. Hierbei gibt es viele Möglichkeiten: Entweder man sucht auf einer der zahlreichen Internet-Plattformen nach einem gebrauchten Fahrrad, besucht einen der Fahrradläden, die man leicht in jedem Bezirk findet, oder man schaut bei einer der größeren Supermarktketten vorbei, die auch oftmals einen eigenen Bereich für Fahrräder haben. Hier empfiehlt sich z.B. ein Besuch bei Olympic Cycling, welche eine große Auswahl an Fahrrädern, einen Reparaturservice und viel mehr anbieten.

Ein gebrauchtes Fahrrad bekommen und ummelden

Wer sich entscheidet, ein Fahrrad gebraucht zu kaufen, oder die Möglichkeit hat, eines geschenkt zu bekommen, sollte allerdings Folgendes beachten: Jedes Fahrrad in Japan muss offiziell registriert sein! Es kommt immer wieder zu Kontrollen und wer auf einem Fahrrad unterwegs ist, welches nicht auf den eigenen Namen registriert ist, muss einige Fragen beantworten, oder eventuell sogar eine Strafe zahlen.

Wer also ein Fahrrad gebraucht kauft, sollte auch nach den benötigten Papieren fragen. Mit diesen kann man sein Fahrrad dann beim nächsten Fahrradgeschäft ummelden. Sollte der Vorbesitzer keine Papiere mehr haben, jedoch vertrauenswürdig sein, reicht es in der Regel auch aus, gemeinsam ein Fahrradgeschäft zu besuchen oder sich wenigstens alle Informationen im Vorfeld geben zu lassen (Telefonnummer, Adresse, Name etc.).

Sollte auch das nicht möglich sein, z.B. weil das Fahrrad jemandem gehörte, der nicht mehr in Japan lebt, kann es schon ein wenig mehr Aufklärungsarbeit kosten. Es sollte aber ebenfalls möglich sein, das Fahrrad auf den eigenen Namen umzumelden. Im zweifel einfach gemeinsam beim nächstgelegenen Koban die Situation erklären. Wichtig ist hierbei, dass eine Registrierung 500 Yen kostet und ein Identitätsnachweis erbracht werden muss. Hierfür reicht die Zairyo Card oder auch die Karte der eigenen Krankenversicherung.

Ein neues Fahrrad kaufen und registrieren

Wie bereits oben erwähnt, gibt es zahlreiche Optionen, um in Japan ein Fahrrad zu kaufen. Aber auch hierbei muss direkt an die Registrierung gedacht werden. Am einfachsten ist es, dieses direkt in dem Geschäft, in dem man sein Fahrrad auch kaufen möchte, zu erledigen. Dazu müssen dann einige Formulare ausgefüllt werden und 500 Yen pro Registrierung bezahlt werden. Auch hier ist natürlich ein Identifikationsnachweis notwendig. Mit einer Zairyo Card oder der Krankenversicherungskarte sollte dies aber kein Problem sein. Das registrierte Fahrrad erhält dann einen orangen wetterfesten Aufkleber mit einer Registrierungsnummer. Achtet also immer darauf, dass dieser Sticker gut sichtbar ist und zur Not ausgetauscht wird, sollte er nicht mehr lesbar sein oder sich ablösen.

Straßenschilder in Japan

Die meisten Straßenschilder sind für Radfahrer aus Deutschland recht leicht zu verstehen. Doch gibt es natürlich auch hier ein paar Beispiele, wo es Sonderregeln für Radfahrer gibt. Straßen, welche für Autos gesperrt sind, sind oftmals für Radfahrer freigegeben. Auch Einbahnstraßen gelten oftmals nicht für Radfahrer, selbst wenn es eine viel befahrene Straße ist. Hierbei gilt es, auf folgende Schriftzeichen zu achten: 自転車除く („Fahrräder ausgenommen“).

Nicht überall sein Rad abstellen

Es gibt gerade in den großen Städten ebenso viele Parkplätze für Fahrräder, wie es Orte gibt, wo es verboten ist, sein Fahrrad abzustellen. Als Faustregel kann man sagen, dass man sein Fahrrad nicht einfach irgendwo abstellen sollte, sondern es immer besser ist, einen richtigen Parkplatz zu finden. Wenn man sein Fahrrad nur kurz vor einem Geschäft abstellt, ist das in der Regel kein Problem, solange nicht explizit ausgeschildert ist, dass dort keine Räder stehen dürfen.

Doch gerade in den belebteren Gegenden wie Shibuya, Ginza etc. sind die meisten Bereiche explizit als Zonen gekennzeichnet, in denen man sein Fahrrad nicht abstellen darf. Es gibt dort Karten, welche die Verbotszonen anzeigen, aber auch mögliche Parkmöglichkeiten in der Nähe. Wer sein Fahrrad an einem Ort abstellt, wo es verboten ist, muss damit rechnen, dass dieses mit einem gelben Schildchen markiert und abgeholt wird.

Dann wird das Fahrrad zu einer Sammelstelle gebracht und man bekommt einen Brief nach Hause mit einer Information, wo man sein Fahrrad gegen eine Strafgebühr abholen kann. Achtet daher bitte auf folgende Schriftzeichen, die ein Parkverbot für Fahrräder kennzeichnen: 駐輪禁止ちゅうしゃきんし .

Verschiedene Arten von Parkplätzen

Es gibt verschiedene Arten von Parkplätzen: Entweder man stellt sein Fahrrad einfach ab und versieht es mit einem Schloss, um es später wieder abzuholen, oder man muss sein Fahrrad an einer dafür vorgesehenen Verriegelung positionieren und kann dann das Fahrrad gegen eine Gebühr später wieder entriegeln. Viele dieser Parkplätze können ein bis zwei Stunden gratis genutzt werden. Daher ist es wichtig, sein Fahrrad selbst noch einmal mit einem Schloss zu versehen, da es sonst von jedem problemlos entwendet werden kann.

Wer sein Fahrrad länger als die gratis angegebene Zeit dort abgestellt hat, bezahlt den entsprechenden Betrag an dem dafür vorgesehenen Automaten und kann sein Fahrrad somit entriegeln. Diese Automaten kommen in verschiedenen Formen vor, doch funktionieren sie meistens nach dem gleichen Prinzip: Man gibt die Nummer seines Parkplatzes ein und drückt auf den Bestätigungsknopf, um es entweder kostenfrei oder nach Bezahlung des angegebenen Betrags mitzunehmen.

Parkplätze für Anwohner

So ziemlich jede Stadt im Großraumgebiet Tokyo stellt auch Parkplätze für Anwohner zur Verfügung. Diese befinden sich oftmals in der Nähe der Bahnstationen und werden regelmäßig kontrolliert. Um hier zu parken, muss man eine Gebühr im Rathaus bezahlen, wogegen man einen Sticker bekommt, den man gut sichtbar an seinem Fahrrad befestigt. Macht bitte nicht den Fehler und stellt euer Fahrrad dort ab, ohne es vorher mit einem entsprechenden Sticker versehen zu haben. Denn auch dann wird es markiert und abgeschleppt, was teuer werden kann.

Japan mit dem Rad erkunden macht Spaß und spart Geld

Ich habe es lieben gelernt, Tokyo aber auch andere Urlaubsziele mit dem Fahrrad zu erkunden. Besonders in der Nacht macht es sehr viel Freude, die Großstadtatmosphäre in sich aufzusaugen. Dabei wird der Weg zum Ziel zum eigentlichen Erlebnis. Hier kann ich auch empfehlen, einmal mit dem Fahrrad nach Odaiba zu fahren und dann auf dem Rückweg in den Abendstunden die Rainbow Bridge mit dem Fahrrad bis nach Shibaura zu überqueren. Hier aber bitte beachten, dass das Fahrrad nicht über die Brücke gefahren werden kann, sondern geschoben werden muss.

An den Linksverkehr gewöhnt man sich rasch. Abgesehen von den Fußwegen, die man wirklich meiden sollte, ist das Radfahren innerhalb der Städte wirklich eine Freude. Wer dazu ein wenig mehr in die Pedale treten kann und auch genug Platz Zuhause hat, dem kann ich wirklich nur den Erwerb eines Mamachari empfehlen. Wir haben ein solches Fahrrad leider nicht, sondern besitzen zwei Klappfahrräder, wobei eines ebenfalls mit einem großen Korb und einem Rückspiegel ausgestattet ist. Dies ist eine sehr praktische Investition für die stark befahrenen Hauptstraßen der Stadt.

Weitere Informationen zu Fahrrädern in Tokyo und Radtouren findet ihr auf der offiziellen Webseite des Tokyo Travel Guide.

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